Frevel: Roman (German Edition)
argwöhnisch.
Zur Antwort deute ich mit einer Kopfbewegung zu der Gruppe um die Königin hinüber und lächele, als wäre alles in schönster Ordnung.
»Königin Elisabeth persönlich?« Marie wirkt sichtlich beeindruckt, und sie zieht ihren Umhang enger um sich. Der Wind, der über den Fluss weht, bringt einen ersten Hauch von Frost mit sich. Die Laternen des Bootes schwanken im Rhythmus der in das Wasser eintauchenden Ruderblätter. Ich stelle mir vor, wie Abigails Mörder flussabwärts davonrudert und ihren leblosen Körper mit dem wie Seegras um sie herumflutenden roten Haar im Küchenkanal treibend zurücklässt.
»Hast du gehört, Michel?« Marie stößt ihren Mann an und nickt zu mir zurück. Ihre Augen glänzen im Lampenschein. »Die Königin von England möchte Brunos Gedächtnistechniken erlernen, allein ich war es, die sich zuerst dafür angemeldet hatte. Ihr seid in Mode gekommen, Bruno!«
Courcelles richtet seinen kalten Blick auf mich.
»Aber die Königin wusste gar nicht, dass Ihr das Konzert besuchen würdet. Merkwürdig, dass ihre Leute Euch trotzdem mit solch einer Eilfertigkeit erwartet haben.«
»Sie hat durch Lord Philip Sidney von meiner Anwesenheit erfahren.« Ich bemühe mich, mit ruhiger Stimme zu sprechen. »Er kennt meine Arbeit und hat sie offenbar Ihrer Majestät gegenüber erwähnt.«
Weiterhin betrachtet mich Courcelles mit unverminderter Skepsis. Mir wird klar, dass sich sein Verdacht nur festigen wird, wenn ich zu sehr auf meiner Geschichte bestände. Was er persönlich denkt, kümmert mich wenig, doch ich kann jetzt, wo ich in der Botschaft für Walsingham so wichtig geworden bin, nicht zulassen, dass er in Castelnau Zweifel sät.
»Hattet Ihr denn nicht auch das Gefühl, dass heute Abend irgendetwas geschehen ist?«, beharrt Courcelles, der diese Frage jetzt der ganzen Gruppe stellt. »All diese Wachposten überall. Die Berater der Königin sind wie aufgescheuchte Hühner hin und her gehuscht. Der Earl of Leicester hat ihr etwas ins Ohr geflüstert. Es war eigenartig – als ob irgendetwas nicht stimmte, aber alle so taten, als wäre alles wie immer.«
Castelnau wirkt verdutzt. »Mir ist nichts Ungewöhnliches aufgefallen.«
»Mir ebenfalls nicht«, werfe ich hastig ein.
»Ihr wart nicht da«, hält Courcelles dagegen.
»Zu schade, dass Ihr ihretwegen fast das ganze Konzert versäumt habt«, bemerkt Castelnau in einem Ton, der andeutet, dass er mir meine Geschichte nicht ganz abnimmt, und mustert mich nachdenklich. »Etwas Vergleichbares an Musik hatte ich vorher noch nie gehört. Ihr wart lange fort – sie müssen Euch wohl viele Fragen gestellt haben, nicht?«
»Wie es aussieht, ist die Königin von meiner Gedächtniskunstlehre sehr angetan, allerdings sind ihren Beratern einige unangenehme Gerüchte bezüglich meiner Methoden zu Ohren gekommen.«
»Dass es sich dabei um schwarze Magie handeln soll?« Courcelles hebt anzüglich eine Braue. »Diese Gerüchte sind doch in ganz Europa verbreitet.«
»Etwas in der Art.« Ich bedenke ihn mit einem vernichtenden Blick, der aber im Dunkeln seine Wirkung verfehlt. »Jedenfalls wollten sie sich davon überzeugen, dass Ihrer Majestät oder dem Ruf ihres Hofes von mir keine Gefahr droht.«
»Das ist eine einmalige Gelegenheit«, meint Castelnau nachdenklich. »Sie scheinen Euch zu mögen, diese Engländer. Vermutlich weil Ihr als Rebell und Gegner des Papstes geltet.« Ein Schleier legt sich über seine Augen, und ich frage mich, ob er nach wie vor an meiner Ausrede zweifelt oder ob er sich gerade ausrechnet, wie er den Umstand, dass ich die Gunst der Königin genieße, am besten für seine Zwecke nutzen kann.
»Schon möglich, Mylord.« Allmählich beginne ich zu befürchten, mich in einem Lügennetz zu verstricken.
»Nun, die Königin wird warten müssen, bis sie an der Reihe ist.« Marie beugt sich mit einem entwaffnenden Lächeln vor. »Ich habe mich vor ihr für Unterrichtsstunden bei Euch angemeldet und habe demnach die älteren Rechte.« Sie legt mir eine Hand auf den Arm. »Wir fangen morgen früh an, wenn Katherine bei ihrem Lehrer ist. Nein – ich lasse keine Einwände gelten, Bruno.« Sie wendet sich an ihren Mann. Ihre Augen funkeln, ihre Hand in dem grünen Seidenhandschuh ruht noch immer leicht oberhalb meines Handgelenks. »Da hat der langweilige Hof doch einmal Stoff für Klatsch und Tratsch, Michel – die Frau von König Henris Botschafter wird von demselben Lehrer unterrichtet wie die Königin von
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