Frevel: Roman (German Edition)
für unwahrscheinlich.«
»Wie kommt Ihr darauf?«
Ich zögere.
»Wegen seiner Frau. Und weil er König Henri zurzeit noch keine weiteren Gründe liefern will, den Herzog von Guise zu fürchten.«
»Und weil er immer noch glaubt, eine alle Parteien zufriedenstellende Lösung finden zu können, nicht wahr? Er meint, er würde die Fäden in der Hand halten – die Interessen des einen gegen die des anderen abwägen.«
»Möglicherweise.« Wiederum fällt mir ein, dass Fowler gesagt hat, Castelnau würde versuchen, es zu vielen Leuten recht zu machen.
»Sein Glaube an die Diplomatie ist wirklich rührend.« Mendoza schüttelt den Kopf. »Fast tut es mir leid, dass er am Ende eine herbe Enttäuschung erleben wird. Ihr hingegen seid ein kluger Mann, Bruno. Klug genug, Euch nicht einem Monarchen zu unterwerfen, dessen Tage gezählt sind.«
»Sprecht Ihr von Elisabeth oder von Henri?«
»Von beiden. Eine neue Zeit bricht an. Männer wie Ihr und Castelnau werden sich entscheiden müssen, auf welche Seite sie sich schlagen. Sofern Ihr irgendwelchen Einfluss auf ihn habt, tätet Ihr gut daran, ihm zu raten, seinen König nicht hören zu lassen, was in der Botschaft besprochen wird. Entendido ?«
Er richtet sich zu seiner vollen, imposanten Größe auf, bläht die Brust und sträubt seinen Bart. Zwar schüchtert er mich damit nicht ein, aber ich bin derzeit nicht in der Verfassung, mit ihm zu streiten – also nicke ich nur und nutze die Gelegenheit für einen Rückzug meinerseits in die Sicherheit der Menge.
»Bruno.«
Ich drehe mich in Richtung des Murmelns und sehe William Fowler an der Wand lehnen. Er trägt einen adretten Anzug aus grauer Wolle und hält eine dazu passende Kappe in seinen Händen.
»Was wollte Howard von Euch?«
»Mich noch einmal daran erinnern, wie sehr er mich hasst.« Ich spähe über meine Schulter hinweg zu Howard hinüber. Er und Mendoza stecken ihre dunklen Häupter zusammen und tuscheln miteinander, während sich die Höflinge ringsum zu der Königin durchkämpfen. In meinem Kopf dreht sich alles; ich weiß nicht, was ich von dem kurzen Wortwechsel mit Henry Howard halten soll. Er muss befürchten, dass Dee mir etwas erzählt hat, das ich gegen ihn verwenden könnte, und wollte mich warnen, dass er über die Macht verfügte, sowohl meinen als auch Dees Untergang herbeizuführen, doch ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass er mich hat beobachten lassen. Die Vorstellung jagt mir einen Schauer über den Rücken. War es Howard oder einer seiner Handlanger, der mich mit Abigail am Holbeintor gesehen hat? Instinktiv blicke ich wieder über meine Schulter. Zum ersten Mal, seit diese Sache begonnen hat, empfinde ich echte Furcht.
»Ist denn irgendetwas passiert?«, flüstert Fowler und schiebt sich an ein paar Zuschauern vorbei näher an mich heran. »Ich habe Euch gesehen, als Ihr hereinkamt, Ihr wart leichenblass. Und da habe ich mich gefragt, ob vielleicht …«
Mit einem knappen Kopfschütteln gebe ich ihm zu verstehen, dass ich hier nicht darüber sprechen kann.
»Die Berater der Königin sind ebenfalls während des halben Konzerts gekommen und gegangen«, beharrt Fowler. »Mir ist aufgefallen, dass Walsingham eine Zeit lang verschwunden war.« In seiner drängenden Stimme schwingt ein ängstlicher Unterton mit. Ich weiß, was in ihm vorgeht, weil ich dieses Gefühl selbst schon empfunden habe – es ist die Furcht, etwas Wichtiges verpasst zu haben. Ausgeschlossen zu werden. Diesmal bin ich es, der mehr weiß als er, den Walsingham ins Vertrauen gezogen hat, und trotz der widrigen Umstände verschafft mir das eine tiefe Genugtuung.
»Bruno, geht es Euch gut?«, bohrt er weiter. »Ihr seht furchtbar aus. Hat es etwas mit Howard zu tun?«
»Trefft mich morgen«, zische ich durch die Zähne. »Um zwei Uhr. Aber nicht in der ›Meerjungfrau‹ – irgendwo anders.«
Er überlegt kurz, dann rückt er noch näher.
»In der ›Mitra‹ in der Creed Lane. Im hinteren Raum«, raunt er mir zu, als er an mir vorbeihuscht und mit der Menge verschmilzt wie eine graue Katze mit den Schatten.
Ich arbeite mich durch das Menschengewühl, bis ich Castelnau und seine Begleiter erreicht habe. Der Botschafter kämpft immer noch um einen Platz in der Nähe der Königin; Marie und Courcelles stehen dicht beisammen und tuscheln miteinander. Courcelles entdeckt mich als Erster und quittiert meinen Anblick mit einem Rümpfen seiner schmalen Nase.
»Wo wart Ihr nur?«, erkundigt er sich
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