Frevelopfer
Ein echt unangenehmer Typ. Runólfur hat mich geschickt, und ich habe seinen Namen verwendet. Das mit meinem Verwandten war gelogen.«
»Weshalb hat Runólfur sich das Mittel nicht einfach selbst beschafft? Weshalb hat er dich geschickt?«, fragte Elínborg.
»Wir waren Freunde. Er hat gesagt …«
»Was hat er gesagt?«
»Er hat gesagt, er traue Ärzten und deren Karteien nicht über den Weg. Mir gegenüber hat er auch zugegeben, dass er ganz gern manchmal einen über den Durst trinkt und dass Rohypnol gegen den Kater hilft. Er sagte, er wolle möglichst unauffällig an das Mittel herankommen, weil Rohypnol ein wenig in Verruf geraten sei, und er fand es unangenehm, einen Arzt darum bitten zu müssen. Das hat er mir gesagt. Ich wusste nicht, was er damit vorhatte.«
»Wieso hast du das für ihn gemacht?«
Eðvarð zögerte. »Er hat mich darum gebeten«, sagte er dann.
»Weshalb?«
»Ich weiß es nicht. Er fand es unangenehm, selbst zu gehen und …«
»Und was?«
»Ich habe nicht viele Freunde. Runólfur und ich kamen gut miteinander aus. Ich wollte ihm helfen. Er hat mir von seinen Problemen erzählt, und ich habe gesagt, ich würde das für ihn tun. So einfach war das. Ich wollte ihm helfen.«
»Wie viel hast du gekauft?«
»Eine Schachtel.«
»Bei welchen anderen Dealern hast du noch gekauft?«
»Anderen? Bei niemandem. Es war nur dieses eine Mal.«
»Und wieso hast du das nicht erwähnt, als wir uns neulich unterhalten haben?«
Eðvarð zuckte mit den Achseln. »Weil ich dachte, dass ich dann vielleicht in etwas hineingezogen würde, was mich nichts angeht.«
»Findest du wirklich, dass es dich nichts angeht, wenn du Rohypnol für einen Mann kaufst, der möglicherweise Frauen vergewaltigt?«
»Ich wusste doch nicht, wozu er das Zeug verwenden wollte.«
»Wo warst du, als Runólfur überfallen wurde?«
»Hier bei mir zu Hause.«
»Gibt es jemanden, der das bestätigen kann?«
»Nein. Ich bin abends meist allein zu Hause. Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass ich das getan habe?«
»Wir glauben gar nichts«, sagte Elínborg. »Danke für deine Hilfe«, fügte sie kurz hinzu.
Als sie wieder im Auto saßen, musste sie ihrer Wut auf Sigurður Óli Luft machen.
»Was war da drinnen eigentlich mit dir los?«, sagte sie und ließ den Motor an.
»Was meinst du?«
»Du hast alles kaputt gemacht, du Idiot. Das war das Letzte! Du hast ihm alles in den Mund gelegt. Wir wissen doch gar nicht, ob er wirklich für Runólfur eingekauft hat! Wie kommst du darauf, ihm das zu sagen? Warum spielst du ihm in die Hände?«
»Worüber redest du eigentlich?«
»Die perfekte Ausrede für Eðvarð.«
»Ausrede? Glaubst du, er hat das Zeug für sich selbst gekauft?«
»Warum nicht?«, entgegnete Elínborg. »Vielleicht war das Zeug, das Runólfur verwendet hat, in Eðvarðs Besitz. Vielleicht ist er in irgendeiner Form mitschuldig. Vielleicht ist er über Runólfur hergefallen.«
»Diese schlappe Sau?«
»Jetzt reicht es aber. Kannst du den Leuten nie mit der notwendigen Distanz begegnen?«
»Ich brauchte ihm absolut nicht dabei zu helfen, eine Ausrede zu erfinden. Falls er uns Lügen aufgetischt hat, war das schon von langer Hand geplant.«
»Versuch doch einmal zuzugeben, dass du einen Fehler gemacht hast«, sagte Elínborg. »Du hast das Ganze komplett vermasselt.«
»Was soll denn das, das kannst du doch nicht im Ernst behaupten.«
»Er hat es sofort aufgegriffen. Ich glaube, alles, was er danach gesagt hat, war gelogen.«
Elínborg stöhnte auf. »So etwas ist mir noch nie passiert.«
»Was?«
»Mir kommt es so vor, als ob alle, mit denen ich gesprochen habe, diesen Mann hätten töten können.«
Vierzehn
Elínborgs Vater hatte sich ein wenig hingelegt. Es war Montag, und der Bridgeabend bei einem seiner Freunde stand bevor. Solange Elínborg sich zurückerinnern konnte, hatte er sich montagsabends immer mit denselben Bridgespielern getroffen. Mit dieser Routine, mit Kontras und Slams, waren die Jahre eins ums andere vergangen. Die jungen Männer, die ihr vor vielen Jahren über den Kopf gestrichen, sie geneckt und sich an den Imbisshappen ihrer Mutter gütlich getan hatten, waren am Spieltisch in Würde gealtert. Ihnen waren Liebenswürdigkeit und Freundlichkeit gemeinsam und ein brennendes Interesse an den Geheimnissen dieses Kartenspiels. Elínborg hatte es nie gelernt, denn ihrem Vater war es nie in den Sinn gekommen, es ihr beizubringen. Er war ein guter Spieler, hatte auch an Turnieren
Weitere Kostenlose Bücher