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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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die sich nach des Vaters Ablehnung eines Ortswechsels kaum mehr um die Vorgänge in ihrer Umwelt bekümmert hatte und mit Friedemann ein selbstgenügsames Leben der Abgeschlossenheit führte, wurde gleichwohl gewahr, wie das dumpfe, bange Gefühl vor einem entsetzlichen Etwas, das schleichend näher und näher rückte, ihr von Tag zu Tag die Brust mehr beengte. Wenn sie in ihres Mannes Armen lag, in heißen Küssen das ahnungsvolle Stöhnen ihres Herzens erstickte, wenn er ihr zärtlich und tröstend zuredete, fühlte sie, wie die Bedrängnis wich und lichte Zuversicht von ihr Besitz ergriff; dann flüsterte sie ihm wohl zu: »Eine innere Stimme sagt mir, daß wir im Tode beieinander sein werden. Unzertrennlich sollen wir aufsteigen in der Wandlung. Nein, wir werden uns nicht trennen!« -- Aber wenn dann der Tag mit dem bleiernen Schein des ersten Frühlichts nach ihrem Höhlenlager tastete, kehrten Beklemmung und Zukunftsangst wieder bei ihr ein. Endlich konnte sie es nicht mehr aushalten; sie offenbarte sich ihrem Vater, flehte ihn an, ihr zum Besten aller Gehör zu schenken und sofort weiterzuziehen. »Glaube mir, Dadi«, rang sie die Hände, »es ist Schlimmes im Anzug. Ich sehe Nebel auf dem Weg!«
    Den Alten hatte die düstere Unruhe Towadeis, die er seit einigen Tagen an ihr bemerkt hatte und deren hellseherische Ursache er von früheren Geschehnissen her kannte, bereits aufgerüttelt; auch er witterte nunmehr Gefahr. »Gut!« sagte er, »der Tzoukel und ein paar andere sind noch draußen, aber sie müssen diese Nacht zurückkommen. Morgen früh brechen wir auf!«
    Die Vorbereitungen und Verrichtungen, die der unerwartete Abmarsch von allen verlangte, füllten den Tag aus; die Nacht brach an. Die vier Feuer, die sonst im Norden und Süden, Osten und Westen des Lagers brannten, ließ der Dadi löschen und die Männer im Finstern, aber ihre Hunde neben sich, die Wachen versehen. Der Morgen graute schon, und immer noch nicht waren die Zurückerwarteten gekommen. Man beschloß, mit dem Abmarsch nicht mehr länger zu zögern ...
    Plötzlich schlugen die Hunde an. Das Gebell kam vom Prebischtor her, es kam aus der Richtung Dittersbach, es kam vom Niederkarlstein; nur zwischen Rudolph- und Falkenstein blieb es ruhig. Der Dadi stieß einen gellenden Schrei aus, und Towadei kam, Friedemann nach sich ziehend, aus der Höhle gestürzt: »Sie kommen! Sind ringsum, machen ein Kesseltreiben auf uns! Bhowané, hilf!«
    »Nein, eine Seite ist noch frei!« schrie der Alte, setzte sein Widderhorn an den Mund und gab das Signal zum Sammeln. Eine grenzenlose Verwirrung entstand. Hier wurden Tragetiere beladen, dort die Karren bespannt, hier schleppte einer einen Packen mit seinem Beuteanteil herbei, dort versammelten sich die unverheirateten Männer, mit den seltsamsten Waffen ausgerüstet, drängten sich die Frauen zusammen, ihre Kinder auf dem Rücken oder an der Hand.
    »Vorwärts!« kommandierte der Dadi, der in der rechten Hand eine Pistole, unter dem linken Arm einen Sack mit seinen Diebesschätzen trug; er setzte sich an die Spitze der Gesellschaft, die den Weg nach den Falkensteinen einschlug. Friedemann hatte seine Ledertasche um den Leib gelegt und die Violine an einen Knopf seines Kittels gehängt; er hielt sich mit Towadei an der Seite des Alten. »Bleibe immer dicht hinter mir, mein Kind! Und du, Schetrar, sieh zu, ob du für dein Weib was dransetzen kannst!« rief er ihnen zu. Friedemann zeigte auf das Zimmermannsbeil, das er in der Hand trug.
    Der Zug hatte sich kaum in Bewegung gesetzt, als auch von den Falkensteinen her das Gekläff der Meute erklang. »Wir sind im Kessel!« stöhnte der Anführer ... Und schon stürzten die Wachen, verwundet, wankend, schreiend, herbei, von den aufheulenden Hunden gefolgt ... Und schon tauchten hinter ihnen die wippenden Köpfe der Soldatengäule auf, blanke Säbel blitzten in den ersten Strahlen der Sonne, aus knallenden Karabinern flog heißes Blei.
    Der Dadi stieß ins Horn, und wie Regentropfen im Sande versickerte die ganze Horde in Felslöchern, Schründen, Höhlen und Gesteinsspalten, kletterte auf Bäume, suchte unter den Pferden der Wallonen hinweg zu entkommen. Nicht allen gelang es. Viele brachen unter den Hiebwaffen blutüberströmt zusammen, manchen holte ein gutgezielter Schuß kurz vor dem rettenden Versteck noch ein, und sein Leichnam rollte in die Bergschlucht, viele Frauen und Kinder wurden gefangen genommen. Die Wallonen warfen sich von ihren Tieren, um die

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