Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
Vom Netzwerk:
Flüchtigen zu Fuß zu verfolgen. Auf Dadi, den Hauptschuldigen und Anführer, machten der Offizier und drei seiner Leute Jagd. Der Alte versuchte, gefolgt von seiner Tochter und Friedemann, eine von Gestrüpp überwucherte Felsenge zu erreichen, die in eine versteckte Schlucht einmündete. Da scheute ein Karrengaul, raste mit seinem Wagen den Drei entgegen, zertrümmerte ihn an den Steinen vor der Öffnung.
    Der Dadi schrie auf. Eine Kugel hatte ihn in den Leib getroffen. Aber er verbiß den Schmerz, schleppte sich mit letzter Kraft zu dem Wagen, schob einen Warenballen vor sich. »Los, Towadei, krieche durch! Hinein in die Schlucht!«
    Da war der Offizier heran, drückte seine Pistole auf den Alten los, zog seinen Degen, um dem flüchtenden Weib den Kopf zu spalten. Friedemann, von einem Wallonen angegriffen, warf ihm sein scharfes Beil an den Schädel, faßte gleichzeitig nach der Violine und schlug sie dem Bedränger Towadeis mit voller Wucht ins Gesicht. Der Hauptmann taumelte. Der Fluchtweg war frei.
    »Schnell, Liebster!« feuerte die Zigeunerin ihren Mann an; sie drehte sich nach ihm um, bemerkte, daß sie verfolgt wurden. Sie erkletterten eine steile Höhe zu ihrer Linken, hasteten auf dem schmalen Grat des Berges dahin. Kugeln pfiffen. Sie eilten weiter.
    »Barmherziger Gott, wir sind verloren!« Vor ihnen klaffte eine enge, tief abfallende Schlucht. »Nein, Bhowané wird helfen! Gleite hinunter, Schetrar, schnell! Die Bäume werden dich auffangen. Vergiß den Sammelort nicht!«
    Bedenkenlos gehorchend hockte Friedemann nieder, gab sich einen Ruck, rollte mit wachsender Geschwindigkeit in die Tiefe. Die Sinne schwanden ihm.
    Towadei maß mit einem schnellen Blick die Entfernung zur jenseitigen Plattform, nahm einen kurzen Anlauf und sprang. Wie eine Katze schnellte sie durch die Luft und landete unversehrt. Der verfolgende Offizier war ihr dicht auf den Fersen. »Du bist zu hübsch, Canaille, als daß ich dich mir entgehen ließe!« fluchte er und sprang nach. Ein kurzes Straucheln, ein kräftiger Stoß Towadeis, der dumpfe Aufprall eines schweren Körpers auf dem Grunde der Schlucht ...
    Als von einem fernen Dörfchen das friedliche Geläute der Mittagsglocke klang, lag über dem Schauplatz des grausamen Strafgerichtes die müde Stille des heißen Sommertages. Im Gebüsch regte es sich, ein Weib kroch heraus. Es suchte den toten Vater. Es fand ihn nicht. Es tauchte in die Tiefe der Schlucht. Es suchte den Geliebten. Es fand ihn nicht.
    Der Abend kam.
    Um das Gehöft des Pfarrers von Dittersbach schlich lautlos eine verhüllte Gestalt. Eine halbe Stunde später standen Haus und Scheune in lodernden Flammen.
    Die Nacht kam.
    Auf dem verabredeten Sammelplatz der Zigeuner fragte Towadei jeden der Anwesenden, jeden der Kommenden nach Schetrar. Keiner hatte ihn gesehen. Sie wartete Stunde um Stunde, der geliebte Mann erschien nicht. Da wußte sie, daß sie ihn verloren hatte. »Nebel auf dem Wege!« stöhnte sie und weinte.
    Zu gleicher Zeit wanderte ein Mann die Landstraße entlang. Er richtete sich nach dem Sternbild des Großen Bären, dessen Deichselstern er drei Stunden nachgehen mußte, um das erste Wegezeichen der Zigeuner zu finden. Er war müde, übermüde, und im nächsten Dorfe brach er auf den Stufen des hölzernen Kirchleins zusammen. Im verdämmernden Bewußtsein klang's ihm in den Ohren: »Denn einstmals kommt der Tod der Liebe ... der Liebe!«
     

Kapitel XXII
     
    Dem schicksalhaften Königstein liegt der Lilienstein gegenüber. Als im Oktober 1756 sich Friedrich II. hier zwischen das sächsische Heer, das von Pirna her heranzog, und das österreichische, das diesem von Lobositz aus entgegenstrebte, dazwischenschob und die Sachsen zur bedingungslosen Kapitulation zwang, als am Tage nach diesem vernichtenden Schlag der König und bald darauf auch der Ministerregent nach Polen flohen, als später selbst der Kurprinz mit Gemahlin am schwiegerelterlichen Hofe zu München ein Asyl suchte, blieben in Dresden nur zwei Frauen zurück, um die Last der Verantwortung zu tragen: die Königin und die Ministerin Brühl.
    Josepha war im Innersten vernichtet und ihr ganzes Trachten nur noch darauf gerichtet, selbst im Lager des Feindes Pläne gegen ihn zu schmieden. Friedrich sah das Treiben seiner
»chère pauvre cousine de Saxe«
längere Zeit mit an, beobachtete aber, so streng seine sonstigen Maßregeln auch waren, jede erdenkbare Rücksicht gegen sie. Als ihm aber ihr Aufenthalt in Dresden gefährlich zu

Weitere Kostenlose Bücher