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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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köstlicher Erfüllung alles jemals erträumten Glückes.
    Towadei suchte von nun an öfter die Gesellschaft des Geigers. Sie achtete indessen streng darauf, daß bei ihrem Umgang die Grenze eines zärtlichen Austausches ihrer Gefühle nicht überschritten wurde. Das Mädchen besaß die natürliche Kunst, den Geliebten zu reizen, ohne ihn ungeduldig zu machen; es entzog sich ihm stets mit liebevoller Schelmerei, wenn es fürchten mußte, daß er kühner werde.
    »Du mußt mich erst ganz kennenlernen, erst wie ich werden, ehe du mein Mann sein kannst«, vertröstete ihn Towadei. »Du hast noch Gedanken, die nicht taugen. Warte auf den Frühling!«
    Und auch der Frühling kam. Statt der Höhlen und Erdlöcher wurden lustige Zelte auf den Feldern, in den Gründen und auf einsamen Waldwiesen aufgeschlagen. Ein fröhliches Naturleben voll Finkenschlag and Sonnenschein, voll Blumenduft und Sterngefunkel begann, und weit, unendlich weit und still war die Seele Friedemanns, des aus der Welt Verschollenen.
    Das von den Zigeunern in Besitz genommene Gebiet lag auf der sächsisch-böhmischen Grenze und umfaßte jene zahlreichen, dichtbewachsenen Felsgruppen, die sich vom Prebischkegel bis in die Gegend von Dittersbach erstrecken. Durch die Invasion der Preußen war die Grenzkontrolle unterbrochen, und so konnte die Horde ohne Störung oder Beunruhigung ihr Wesen treiben und, drohte doch einmal Gefahr, sich in das eine oder andere Gebiet zurückziehen.
    Towadei begann jetzt Kräuter zu sammeln, die an die Apotheken der Marktflecken und Städtchen verkauft wurden. Friedemann pflegte sie zu begleiten. Die Wanderungen mit der Geliebten hatten einen namenlosen Reiz für ihn, und je mehr sich alle seine Empfindungen ihr gegenüber erschlossen, desto erstaunter wurde er über die vielfachen Kenntnisse und eigentümlichen Anschauungen des Mädchens.
    »Gibt es ein Gesetz in der Natur«, fragte er einmal während einer Sammelpause, »das den Menschen sicher leitet?«
    »Das gibt es, Lieber! Schau mir ins Auge! Sieh die schwellende Blume, höre den lockenden Vogelgesang! Alles das spricht ...«
    Und in des Weibes glühenden Kuß verstrickt, rief Friedemann: »Liebe!«
    »Ja, Schetrar, die Liebe! O, ergib dich mir ganz, ich werde dich leiten! Sieh, solange des Vaters Auge dich bewachte, bist du sicher gegangen. Als du von ihm wichest, dich selber als etwas Unerhörtes zu geben meintest, begann dein Abfall. Zertrümmert und elend bist du zurückgekehrt, bist -- mein! Begreifst du das Lied, das dich in der Höhle begrüßte? Die Mutter der Armen, die Nacht, Bhowané, hat dich, den Verlorenen, wiedergegeben dem großen All und Gott. Ich, die Liebe!«
    Sie blickte Friedemann mit einem trostreichen Lächeln an und widmete sich mit Sammeleifer wieder ihren Kräutern.
    Je mehr der Frühling in den Sommer glitt, desto ungestümer bedrängte der Geiger die Geliebte, nach der Sitte ihres Volkes sein Weib zu werden. Und immer lehnte sie es ab: »Noch nicht, Schetrar! Warum willst du die Sehnsucht so schnell im Genuß ersticken? Weißt du, was folgt?«
    Ihre Weigerung hatte ihn zuerst traurig gemacht, dann verstimmt und gereizt. Towadei merkte es wohl; sie beobachtete ihn eine Zeitlang, und als sie sah, daß sich sein Wesen nicht änderte, bat sie eines Tages: »Höre, Schetrar! In den Lazaretten verlangt man nach blutstillenden Kräutern. Sie sind nicht leicht zu finden, und es würde dir nur unnötige Mühe verursachen, an meiner Seite zu bleiben. Aber am Abend könntest du wohl auf den oberen Karlstein kommen.«
    Die Sonne war schon tief gesunken, ein letzter goldener Schein lag auf den Spitzen der Berge, und leichter Dunst, der aus den schattenblauen Gründen aufstieg, webte zarte Feenschleier über die Waldwiesen. Wie ein Träumender stieg Friedemann langsam, öfter zu einem trunkenen Atemzug verweilend den Berg hinan.
    Schon von weitem sah er Towadei. Sie saß auf einer Abplattung des Felsens, versunken im Anblick der scheidenden Sonne. Friedemann verhielt den Schritt, setzte seine Violine an und spielte die Melodie des Kamadewaliedes, eines oft gehörten Liedes ihres Volkes:
    »Darum, mein Süßer, merke fein
Auf Bhowanés Gebot:
Was lebt, soll auch geliebet sein,
Denn einstmals kommt der Tod
Der Liebe, der Liebe, der Liebe!«
    Towadei wandte dem Spielenden den Kopf zu und winkte. Sie löste, vom Sonnenpurpur umglüht, die dunkle Haarflut, die wie ein weicher Mantel niederrollte, öffnete die Spangen ihres Mieders. Tändelnd wehte der

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