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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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ihm. An ihrer Hand begann er sein neues Leben.
    So himmelweit dieses neue Leben Friedemanns von dem in Arnstadt entfernt war, so grell die jetzige Dürftigkeit von dem Luxus bei Cardin abwich, so verändert war er auch selbst und, sonderbar genug, er mußte sich gestehen, daß er sich den Umständen nach ganz wohl dabei befand. Er hatte sich daran gewöhnt, sich äußerlich der Welt gegenüber aufzugeben, einer Welt, deren Zustände er nachgerade zu verachten anfing. Er wandte sich mit einer Art Dankbarkeit diesem elenden Volke zu, dessen Mitglied er war, und das ihm mit Samariterliebe beigesprungen war, als ihm nichts mehr übriggeblieben war als der Tod. Er fand sich in seine neue Lage um so mehr, als sie das beschauliche Faulenzen, das ihm schon zur anderen Natur geworden war, fortzusetzen gestattete. Er lebte sorgenlos und in den Tag hinein. Und wenn er am hellen Feuer saß und seine Violine spielte, hatte er an dem braunen Auditorium ein zumindest ebenso begeistertes Publikum wie in seinen besten Zeiten.
    Die Höhle, in der man ihn in die Gemeinschaft aufgenommen hatte, und die der abendliche Sammelplatz der Zigeunergemeinde war, diente ihm zur Wohnung, die er nur des Nachts mit Guru und Papinori teilte. So lebhaft sich nun aber auch der Verkehr zwischen ihm und den anderen Mitgliedern der Genossenschaft entwickelt hatte, so sehr schien ihn gerade die Person, die seine Gedanken am meisten in Anspruch nahm, die schwarzäugige Towadei, zu meiden; und je weniger er sie sah, desto mehr beschäftigte er sich mit ihr, je achtloser sie ihn in den kurzen Augenblicken eines Zusammentreffens behandelte, desto größeren Anteil nahm er an ihr, desto mehr erfüllte Sehnsucht sein Herz.
    Als er eines Tages, versunken in mancherlei Erinnerungen, allein in der Höhle saß, drängte sich ihm mit unabweisbarer Macht eine Fülle ungelöster Fragen und unbegreifbarer Beobachtungen auf. »Warum« -- so sagte er sich -- »hat Towadei mich hierher gelockt und geht mir nun aus dem Wege? Woher ihre Macht über mich? Warum drängt mein Herz ihr zu, obwohl mein Verstand widerrät? Was bedeutet die geheimnisvolle Drohung für den Fall meiner Flucht, was ...?«
    Er fühlte sich an der Schulter gefaßt, und als er sich umdrehte, stand die junge Zigeunerin vor ihm. Freudig überrascht ergriff er ihre Hand: »Warum hast du mich so lange warten lassen?« fragte er vorwurfsvoll, aber mit zitterndem Unterton in der Stimme. »Ich habe mich sehr nach dir gesehnt.«
    »Ich wußte es, Schetrar, und deshalb bin ich gekommen. Und auch viele Fragen, die du in deiner Seele trägst, erheischen eine Antwort. Siehst du: seit undenklichen Zeiten lebt das Volk der Zigeuner verstreut, gejagt, unstet, gequält und verachtet in aller Herren Länder, aber Bhowané, die ewige Mutter der Liebe und des Hasses, hat uns zum Ausgleich die Herzen der Menschen und ihre Furcht gegeben, hat uns mit dem Wissen um die Zukunft beschenkt und -- mit der Falschheit der Schlangen.«
    »Hm ... und wozu benutzt ihr diese Schlangenfalschheit?«
    »Du willst wissen, was wir treiben, Schetrar? -- Nun, wir tun zweierlei. Wir lieben einander in unserem Elend und tragen es. Wir hassen, betrügen, bestehlen, verraten die Menschen, verachten sie, wie sie uns von je getan! Hast du draußen den Krieg gesehen und das Blut? So treiben sie's untereinander, und wir gehen und holen die Beute von den Feldern des Todes. Wir sind ihre Späher, die sie gegeneinander brauchen, von denen sie aber alle verraten werden. Zu uns, den Unglücklichen, schleichen die gepreßten Herzen und erfragen die Zukunft, und wenn sie sie wissen, fluchen sie uns. Das ist unser Gewerbe! Was die Menschen wegwerfen und verschmähen, sammeln wir, was ihnen schimpflich erscheint, uns ist's Gewinn ... Verachtest du uns auch, Schetrar?«
    »O nein, Towadei, ich verachte euch nicht. Ich müßte mich sonst selbst verachten!«
    Da beugte sie sich nieder zu ihm und küßte ihn. Friedemann umarmte sie und hielt sie an sich gepreßt: »Towadei, sage mir, warum hast du mich hierher gebracht -- und mich dann gemieden?«
    Sie erbebte: »Frage mich nicht, Schetrar! Und wenn du es weißt, o dann ...«
    »Ich weiß es, Towadei! -- Du hast mich hierher geführt, weil ... du mich liebst! Und Liebe ist's auch, -- ja, ich fühl's, es ist Liebe, die mich dir folgen ließ. Gesegnet sei diese Stunde!«
    Sie hielten sich eng umschlungen, und aus den Wollustschauern des braunen Weibes überströmte ihn zum erstenmal im Leben die süße Gewißheit

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