Friedemann Bach
erhalten hatte, Sebastian fest bei der Hand: »Bach, ein Wort! Der König ist nicht der Mann, Ihre Verdienste zu belohnen, aber der Kurprinz wird's einst tun, wenn er die Krone trägt. Auch ich habe, gleich Ihnen, meinen Ehrgeiz; wir sind zwei Hochflieger, jeder in seiner Art, die zur Sonne wollen, darum müssen wir Freunde sein. Bach und Brühl, die Namen passen zusammen! Wenn Sie, wie ich, die Tugend des Wartens kennen, die schwerste Tugend des Künstlers und des Staatsmannes, dann ...«
Volumier trat ein. Ein Druck von Brühls Hand vollendete den Gedanken. »Füllt die Gläser, meine Herren! Es lebe die -- Hautevolée und ihre Freundschaft!« -- --
Nach ein paar Tagen fuhren Sebastian und Friedemann zurück nach dem stillen Weimar.
»Was meinte der Junker damit, Vater, daß er sagte, Brühl und Bach, die Namen passen zusammen?« fragte Friedemann.
»Das mag die Zeit lehren, mein Sohn! Ich verlaß mich bloß auf den Bach. Mach du's auch so!«
Kapitel IV
Das Jahr 1732 war herangebrochen, und die Zeit, die seit dem denkwürdigen Wettstreit an allen seinen Teilnehmern vorübergegangen war, hatte nicht nur sie, sondern auch die ganze sie umgebende Welt, ja ganz Europa verändert. In Sachsen allerdings regierte immer noch August der Starke, wechselte nach wie vor seine Gunst und Neigung und richtete feindselig seine Blicke nach Frankreich, dessen Herrscher, Ludwig XV., nicht übel Lust zeigte, seinem unglückseligen Schwiegervater, Stanislaus Leszczynski, noch einmal die wenig beneidenswerte Krone Polens aufs Haupt zu setzen. Fast alles sonst aber war in den vergangenen fünfzehn Jahren von seiner Stelle gerückt, und manche Lücke klaffte.
Der Kurprinz August hatte sich 1719 mit Prinzessin Marie Josephine von Österreich vermählt, und die arme Königin Eberhardine (die »Betsäule von Sachsen«, wie das Volk sie nannte) hatte sich mit ihrem Unglück und ihren Tränen 1727 in die Erde geflüchtet. Vor ihr schon war ihre alte, würdige Oberhofmeisterin gestorben und an deren Stelle ihre schöne Tochter, die junge Antonie von Kollowrat, zur Favoritin der Königin geworden; und so sehr wußte sich diese bei Marie Josephine in Gunst zu setzen, daß sie auch die Vertraute der Kurprinzessin wurde.
Hoymb war seines Amtes verlustig gegangen und saß auf dem Königstein, wo auch der Goldmacher Klettenberg sein Leben verloren hatte. Aurora von Königsmarck, der Fürst von Fürstenberg, Fleming waren gestorben, Vitzthum im Duell erschossen worden; die Kessel, die Denhof, die Dieskau, selbst die schöne Osterau, die letzte Liebe Augusts, waren in ihr ursprüngliches Nichts zurückgesunken. Auch der alte, gute Volumier war nicht mehr und an seine Stelle Hasse mit seiner berühmten Nachtigall, der großen Faustina, getreten. --
Dem braven Sebastian Bach, dessen Familie sich seither vielfach, wie sein Ruhm, vermehrt, und der in Köthen, wohin er seinen Wohnsitz verlegt hatte, sein liebes, treues Weib durch den Tod verloren, war die Welt daselbst zu eng geworden. Er war daher nach Leipzig gezogen und hatte, nachdem er Anna Magdalena, die jüngste Tochter des Weißenfelsischen Hofmusikers Wülkens, geheiratet, das lohnende Kantorat an der Thomasschule angenommen. Ein- oder zweimal jährlich besuchte er Dresden, wo er die Königin und alle Welt mit seiner Kunst entzückte und Hasses Freundschaft erwarb; seitdem aber die Königin gestorben war, kam er nicht mehr an den Hof.
Brühl, der inzwischen Kammerherr und Direktor des Departements der inneren Angelegenheiten im geheimen Kabinett des Königs geworden war, unterließ nie, sich möglichst liebenswürdig gegen Sebastian zu erweisen. Aus Friedemann war unterdessen ein erwachsener Mensch, ein bedeutender Musiker geworden. Sebastian, der voraussah, daß er seinen zahlreichen Kindern keine Berge Goldes hinterlassen könne, wollte daher in diesem seinem Erstgeborenen, seinem Lieblinge, alles Treffliche vereinen, ihm eine Weltbildung und, für den Notfall, einen anderweitigen Rückhalt geben. Er hatte ihn auf die Hochschule nach Merseburg geschickt, wo Friedemann ein eifriger Schüler Christian Wolffs, des nicht nur von der Universität Halle, sondern auch aus ganz Preußen bei Strafe des Stranges verbannten Philosophen der Aufklärung, und, namentlich im Violinspiel, des vortrefflichen Graun geworden war. Schon die Lehrer an der Thomasschule hatten von diesem geistreichen Knaben das Höchste gehofft. So war er endlich l730 ins Vaterhaus zurückgekehrt, um seine letzten
Weitere Kostenlose Bücher