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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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verhallt war, und stellte sich dem Orgelchor gegenüber auf.
    Tiefe Frömmigkeit lag auf der ganzen Gemeinde, nur Sebastian war nicht recht andächtig. Er hörte und hörte, trippelte hin und her, hörte wieder und schüttelte den Kopf: »Sollte das Friedemann sein, der da spielt?« Es klang ihm so fremd, so anders! Er sah zur Empore hinauf, konnte aber nichts erkennen, und so ging er leise durchs Seitenschiff, um die Treppe nach oben zu gewinnen. Da trat Merperger aus der Sakristei, in vollem Ornat, winkte ihm und zog ihn zu sich hinein: »Gott grüß Sie in Dresden, Meister Bach! Sie wollten zu Ihrem Sohn, nicht wahr?«
    »Ja, Hochwürden! Aber der da oben kann doch mein Friede nicht sein? Ich hatte in Leipzig, wie angefallen, eine richtige Sehnsucht nach ihm, und nun ... ich fürchte, er ist krank.«
    »Meinen Brief, lieber Herr Bach, haben Sie also nicht erhalten?«
    »Nein! Haben Sie denn an mich geschrieben, Hochwürden?«
    »Ja, liebster Herr Bach! Ich wollte Sie auf etwas vorbereiten. Sie sind stets ein wackerer Christ gewesen, der mit Gottvertrauen im Dienste des Herrn steht. Nehmen Sie all Ihren Glauben, Ihre Hoffnung, Ihren Mut zusammen: Gott hat Ihnen eine große Trübsal bereitet.«
    »Herr Jesus! Hab ich's doch geahnt, daß dem Friedemann was begegnet ist! Ist er krank, oder ... oder hat ihn mir der liebe Gott genommen?« und dem alten Mann liefen die Tränen über die Wangen.
    »Ihr Sohn, Vater Bach, ist nicht krank oder tot. -- Hören Sie mich ruhig an! Ihr Sohn ist bei Brühl ein und aus gegangen, und in letzter Zeit mehr denn je, mehr als für einen Organisten paßte und dem Friedemann gut sein mochte. Er hat sich einmal gegen Doles geäußert, daß er mit der ältesten Tochter des Ministers ein Verhältnis habe, und ich fürchte, da ist etwas Schlimmes vorgegangen; denn Karfreitag nacht ist er in der Stille arretiert worden und, wie man sagt, auf den Königstein gekommen.«
    Der alte Sebastian fiel dem Prediger schluchzend um den Hals; Merperger preßte ihn krampfhaft an sich. »Der Herr hilft dem Schwachen, er wird ansehen dein Leid und dich trösten wie Hiob. Er wird sich freuen deiner Geduld und dich erheben aus deiner Trübsal!« sprach er ihm Mut zu. Sebastian wurde stiller.
    Der Geistliche, der auf die Kanzel mußte, ließ Doles rufen, und Lehrer und Schüler standen sich zum erstenmal seit ihrer Entzweiung gegenüber.
    »Doles, Ihr seid meines unglücklichen Jungen Freund gewesen, und wenn Ihr mir auch gram seid, so hoffe ich doch und bitt' Euch, Ihr wollt so viel christliche Liebe haben, einem armen Vater zu erzählen, was Ihr von meinem Sohne wißt, und ob der Friedemann wissentlich einen Halunkenstreich begangen hat, daß er eine solch entsetzliche Strafe verdient.«
    »Vater Bach« -- und Doles nahm seinen alten Lehrer bei der Hand und sah ihm treuherzig in die Augen -- »Vater Bach, Gott mög's an mir heimsuchen, wenn ich Euch etwas nachtrage in dieser Stunde! Friedemann ist mein Freund und bleibt's in alle Ewigkeit, und, so gewiß ein Gott über uns ist, Euer Sohn hat keinen schlechten Streich begangen, das ist nun und nimmer wahr! Er hat sein Herz freilich an des Ministers Tochter gehängt, aber in aller Ehre und Sitte, und das ist keine Schande, wenn's auch unüberlegt war. Die Liebe überlegt halt nicht! Der Brühl hat eine vermaledeite Schlechtigkeit an Friede getan, nur weil er die Gewalt dazu hat; denn wenn er in seinem Recht war, könnte er die Gerichte anrufen. Nein, Friedemann ist unschuldig!«
    »Ja, das ist er! Herr Gott, wie dank' ich dir, daß du mir diesen Trost geschenkt hast! -- Doles, Gott mag Euch das segnen! Lebt wohl, ich komme bald wieder!«
    »Wohin wollt Ihr denn gehen, Vater Bach? Tut nichts Unüberlegtes, nehmt mich mit!«
    »Wollt Ihr mir als ein rechter Freund in der Not meinen Sohn wiederfinden helfen? Kommt her, laßt Euch die Wange küssen, die ich geschlagen habe!«
    Doles beugte sich nieder und küßte dem zitternden Sebastian die Hand: »Laßt immer meine Wangen brennen, Vater Bach; jetzt ist nicht von Musik die Rede, sondern nur von Eurem Sohn. Kommt!«
    Stehenden Schrittes begab sich Bach mit Doles ins Ministerhotel. Doles mußte warten, der Alte trat ein und ließ sich melden. Nach einigen Minuten kam der Lakai zurück: »Seine Exzellenz sind so ohne weiteres nicht für irgendwelche Leute zu sprechen. Wenn Sie ein Gesuch haben, kommen Sie schriftlich ein!«
    Johann Sebastian Bach wankte hinaus.
    »Umsonst?« fragte Doles. »Das hab' ich mir gedacht!

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