Friedemann Bach
bereitet, und wie er nun hier in seine Zelle gebracht und die Tür hinter ihm versperrt ward, erwachte er wie aus einer krampfartigen Erstarrung. Er bekam einen so furchtbaren Tobsuchtsanfall, daß wir nicht wagen konnten, uns ihm zu nähern.«
»Das ist ja entsetzlich, Herr Kommandant! Und wie ist nun sein Befinden?«
»Man kann da schwer etwas sagen. So viel ist jedenfalls sicher, daß eine Geistesgestörtheit vorliegt, die, wie ich hoffen möchte, nur vorübergehender Natur ist. Auf einen Paroxysmus folgt ein Zustand verhältnismäßiger Beruhigung; dann spricht er mit einer unsichtbaren Antonie, flüstert Liebesworte, singt dazwischen ein verworrenes Lied, in dem es heißt: ›Willst du dein Herz mir schenken?‹, wird dann allmählich wieder von Angst und Furcht vor einer Ministerin befallen, und dann dauert es nicht mehr lange, bis die Raserei wieder losgeht. Er muß ein niederschmetterndes Erlebnis gehabt haben.«
»Das mag wohl sein, Herr Kommandant! Wie immer aber auch die Dinge liegen, ich muß den Befehl des Königs ausführen und den jungen Bach den Händen seines Vaters überantworten.«
Der Offizier ließ sich in die Zelle Friedemanns führen, weckte ihn, der gerade eingeschlummert war, sacht aus dem Schlaf und erzählte, aus dem Instinkt des Mitleids das Rechte treffend, vom Vater, von Doles, von Merperger, die gekommen seien, um ihn abzuholen.
Wie helle Kinderfreude zuckte es über des Irren Gesicht, er klatschte jubelnd in die Hände, tanzte in Seligkeit um Tacker herum und tanzte, diesem willenlos folgend, inmitten einiger Begleitsoldaten den Weg vom Königstein hinab. Laut sang er: »Willst du dein Herz mir schenken, fang's heimlich an!« ...
»Friedemann!« rief Bach laut in die Dunkelheit hinaus, als er die verwehten Liedfetzen und das ferne Klirren von Waffen hörte. Und wie ein Tier, hervorstürzend aus brechendem Gestrüpp, brüllend, mit grinsend verzerrten Zügen, warf sich eine Jammergestalt in des Vaters Arme.
»Mein Sohn! O mein Sohn!«
Ohnmächtig brach Friedemann zusammen.
»Stark sein, Herr Bach!« sagte der Leutnant in schwer erkämpfter Selbstbeherrschung, und Doles, selbst einer Ohnmacht nahe, wiederholte: »Stark sein, Vater Bach!«
Sie hoben Friedemann in den fahrbereiten Wagen, kamen aber überein, in einem geeigneten Wirtshaus vor den Toren Dresdens einzukehren, um dem Kranken ein paar Stunden Ruhe zu gönnen und über die nächsten Schritte zu beratschlagen; denn das war ihnen von vornherein klar, daß es ganz unmöglich sei, den Unglücklichen in seinem jetzigen Zustand sogleich bis Leipzig zu bringen.
Tacker nahm es auf sich, den König bei dem zu erstattenden Rapport zur vorläufigen Zurücknahme seines Aufenthaltsverbotes zu bewegen und, falls der Bescheid günstig lautete, Merperger zu bitten, dem armen Friedemann Asyl in seinem Hause zu gewähren.
August III. war gerade beim Diner, und der Kammerdiener fand sich erst bereit, den Offizier zu melden, als dieser ihm mit militärischer Schärfe erklärte, er stehe in Geheimdiensten des Königs; dabei drückte er ihm einen aus seinem Notizbuch gerissenen Zettel in die Hand, auf den er schrieb: »Ich muß meine Instruktion überschreiten, der Arrestant ist wahnsinnig, v. Tacker.«
Der Monarch, dem der Diener auf silbernem Tablett zögernd dieses unzeremonielle Blatt Papier darbot, sah argwöhnisch auf, nahm es aber doch und las. Die Hand sank ihm herab; er warf einen durchdringenden, verächtlichen Blick auf den gegenübersitzenden Brühl, entschuldigte sich bei Josepha: »Dringende Geschäfte rufen mich ab, Majestät!« und schritt hinaus.
Bewegt hörte er den Bericht Tackers und gab ohne Zögern seine Einwilligung zu den Vorschlägen, die ihm unterbreiten zu dürfen der Offizier gebeten hatte.
»Versteht sich, versteht sich! Sagen Sie dem Pastor, daß ich ihm meinen Leibarzt schicken werde und eine Anweisung auf zweihundert Reichstaler, damit er nichts spart. Wenn das Geld zu Ende ist, soll er's mich durch den Medikus wissen lassen. Aber ohne Ostentation!«
»Ich verbürge mich dafür, Majestät, und auch dafür, daß der junge Bach gleich abreist, wenn er gesund ist.«
»Das ganz besonders! Gehen Sie, ich danke Ihnen!«
Als Tacker abgetreten war, ließ der König den Minister Brühl rufen: »Am Ostertage habe ich Friedemann Bach nicht gesehen. Wo ist er bloß?«
Eine kurze Pause erfolgte, dann antwortete Brühl mit kecker Selbts[[?]st]verständlichkeit: »Auf dem Königstein, Majestät!«
»Und das wagen
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