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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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ich bin auferstanden. Und damit Sie wissen, daß ich's bin, grüße ich Sie heute!«
    »Das klingt entsetzlich sibyllinisch, Lieber; Sie müssen das meinem armen Verstande schon faßlicher machen.«
    »Wenn Sie mir versprechen wollen, Ihre Morgentoilette nicht zu unterbrechen, will ich Ihnen von meiner Auferstehung plaudern.«
    Sie nickte lächelnd, er klingelte; die Kammerfrau trat ein und begann die Ministerin zu frisieren.
    »Da die ganze Plauderei, liebe Antonie, unsere kleinen schalkhaften Privatangelegenheiten betrifft, wollen wir deutsch konversieren; unnötig, daß die französische Haarkünstlerin etwas davon versteht.«
    »Es wird also sehr interessant sein?«
    »Sehr, meine Gemahlin! Denn wenn ich Auferstehung feiere, muß ich ja zuvor geschlafen, geträumt haben, -- und wenn ich träume, kann ich's nur von Ihnen. Und das ist doch gewiß sehr interessant!«
    »Damit aber das Interessante ewig bliebe, Heinrich, müßte ich doch wünschen, Sie wären gar nicht auferstanden, sondern schliefen und träumten noch. Befinden Sie sich denn in Ihrer Auferstehungssituation besser? Das wäre eben kein Kompliment für mich.«
    »O doch, Teuerste! Ich fühle mich jetzt unendlich freier und wohler als sonst, und das verdanke ich Ihnen. Ich lebe nun das Leben der Wirklichkeit, der Illusionslosigkeit. Alles, was ich besitze, habe ich dadurch fester, genieße es mehr; und daß ich das nun kann, weil ich erwachte, verdanke ich Ihnen, teuerste Antonie!« -- und fast inbrünstig drückte er ihren schönen Arm.
    Die Ministerin überkam ein Frösteln und eine leichte Verlegenheit: »Und wie meinen Sie das? Ich verstehe Sie wirklich nicht!«
    »Ich werde mich deutlicher machen! -- Es ist schon lange her, liebe Antonie, daß ich ein Nichts von einem Menschen war. Ich erinnere mich dessen noch ganz gut; um so besser, meine Daphne, als ich damals einen ehrenvollen Namen, ein fröhliches Herz und ein leichtes Gewissen hatte. -- O, lassen Sie nur das Mädchen weiterfrisieren, es stört mich gar nicht. -- Wie gesagt, ich erinnere mich noch lebhaft jener Zeit. Da sah ich eine Wunderblume, die stolzeste, süßeste in des Königs Garten, obgleich sie schon etwas
fleur defloree
war. Ich warb um sie in verblendeter Liebe, preßte sie an mein Herz und -- entschlief. Sie hatte mich in einen Traum gezaubert, in dem sie mir ihren Besitz verhieß, wenn ich ihr meine Seele gäbe. Ich gab sie ihr! Schlafwandelnd ging ich, von der Blume geführt, die Wege der Ehrlosigkeit, die aber zum Ruhme führten. Je höher ich stieg, je lieblicher mir die Blume erglühte, desto schwerer ward mein Weg durch die Last meines Gewissens. Da erwachte ich plötzlich zur guten Stunde. Ich fand, daß ein anderer eben dabei war, sich die Blume ans Herz zu legen, und -- die Knospe dazu! Wissen Sie, was ich tat? Ich nahm meine verratene Seele zurück, nahm die Blume, die ich eben zu verlieren im Begriff war, und steckte sie fein zierlich wieder ins Knopfloch. Weil sie mich gar so gut kleidet! Und der arme, süße Zimbelspieler, der ›es gar so heimlich anfängt, wenn er sein Herz verschenken will‹, der sitzt seit Karfreitag nacht auf dem Königstein in der Züchtlingsjacke. Das ist die Geschichte von meinem Auferstehungsmorgen. -- Im übrigen wird in drei Tagen meine liebe Pflegetochter, die sich auch ›sein Herz schenken ließ‹, zu einem Freunde aufs Land abreisen, wo sie so lange bleiben wird, bis sie die Schäferpoesie vergessen und einen Mann von trockener, solider Prosa geheiratet hat. Wir aber bleiben -- wie immer -- gute Freunde!« Er ergriff der Ministerin Hand, um sie mit zynisch lächelndem Gleichmut an sein Herz zu drücken.
    Mit einer verzweifelten Bewegung riß sie sich von ihm los, wollte ihm ins Gesicht schlagen: »Elender, gemeiner Bösewicht, sei verdammt dafür!« -- aber er fing ihre Hand ab und preßte sie, bis sie schmerzte.
    »Wir sind alle Komödianten, es kommt nur darauf an, daß jeder seine Rolle gut spiele!« und er ging.
    Mit einem Schrei brach die Ministerin zusammen und wand sich in Krämpfen. Die Diener eilten herbei. Der Arzt kam.
    »Exzellenz haben ein schweres Nervenfieber!«
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    In derselben Stunde, in der Saul vor Brühl stand, fuhr durch das Leipziger Tor eine Kutsche in Dresden ein. Ihr einziger Fahrgast war Johann Sebastian Bach.
    In einer Ausspannung in der Fleischergasse stieg er ab, brachte seine Kleider ein wenig in Ordnung und eilte, so rasch er konnte, zur Sophienkirche. Er betrat sie, als gerade der letzte Glockenton

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