Friedemann Bach
zurückrufen und wieder in seine Stellung setzen soll. -- Damit Er aber sieht, daß ich als König nicht den Kurprinzen vergessen hab', wie Er meint, so will ich Ihm seinen Sohn wiedergeben. Er muß mir aber versprechen, daß der Friedemann sich nie wieder in Dresden sehen läßt, daß Er ihn ohne Ostentation nach Leipzig nimmt und dort in Räson setzt, damit er sich die verliebten Grillen aus dem Kopf schlägt und seinen Geist auf die Kunst allein richtet. Will Er mir das versprechen, Bach?«
Sebastian beugte sich über die Hand des Königs und küßte sie: »Ich verspreche es Ihnen, Majestät!«
»Und Er will über den ganzen Vorfall schweigen?«
»Ich will schweigen, Majestät!«
»Nehme Er seinen Ring wieder, Sebastian! Und wenn irgendwo ... hm ... eine gute Stelle frei wird, soll sie der Friedemann haben!«
Sebastian steckte den Brillantring wieder an und bat den König aufrichtig um Verzeihung. August reichte ihm die Hand: »Schon gut, Bach!« Er trat an seinen Schreibtisch, schrieb eine Order und klingelte nach seinem Kammerdiener, dem er befahl, den wachhabenden Offizier herbeizurufen.
»Wie heißen Sie?« fragte er den Eintretenden. -- »Leutnant von Tacker, Euer Majestät.«
»Schön! -- Wenn Sie heute abend abgelöst sind, Tacker, so fahren Sie mit diesem Manne hier nach dem Königstein. Unten im Walde lassen Sie die Kutsche mit dem Herrn zurück und begeben sich allein zum Kommandanten. Auf diese Order erhalten Sie einen jungen Menschen, den Sohn dieses Mannes. Den bringen Sie seinem Vater zurück und sehen darauf, daß er sofort die Straße nach Leipzig weiterfährt. Der ganze Vorgang bleibt Geheimnis, auf Ihr Ehrenwort! Ich erwarte Rapport. Verabreden Sie untereinander das Nähere, meine Herren. Guten Morgen!«
Kapitel XIV
Johann Sebastian Bach verbrachte den Rest des Tages im Hause Merpergers. Er ließ sich von Doles alle Vorgänge der letzten Zeit -- Friedemanns Benehmen gegen Ulrike, seine eigenartige Wandlung, seinen engen Anschluß an das Haus Brühl -- nochmals genau berichten. Gemeinsam leiteten sie die sofortige Abreise der alten Hanne und die Rückführung sämtlicher Sachen Friedemanns nach Leipzig in die Wege. Die Stunden flogen dahin.
Es schlug neun Uhr. Der Tambour auf der Schloßwache trommelte zum Abendgebet, die Ablösung erfolgte, und eine Viertelstunde später erschien Herr von Tacker im Feldmantel. Eine Kutsche fuhr vor, und Sebastian stieg mit Doles und dem Offizier ein.
Schnee glänzte und verbreitete eine dämmernde Helle über die Landschaft. Die Reisegesellschaft war sehr still: Doles wollte den alten Sebastian nicht in seinen Betrachtungen stören, und der zartfühlende Offizier mochte das Gespräch auch nicht eröffnen; er beschäftigte sich mit seiner Pfeife. In den Wagen zurückgelehnt, saß Sebastian und starrte vor sich hin; Tränen des Harms, der Entsagung, der gebrochenen Hoffnung rollten langsam und schwer über sein vergrämtes Gesicht. Wo waren alle die Träume des Vaterstolzes? Was sollte nun mit Friedemann werden? Er war, in Gottes Namen, kein Kind mehr, das sich für dieses oder jenes noch entscheiden konnte! Wie sollte er von neuem den mühseligen Pfad der Kunst beginnen, er, der das Leben so wenig gemeistert hatte? ...
Während solchermaßen Qual und Bitternis das Vaterherz zerrissen, wuchs finster und drohend ein Koloß auf ihn zu, wie ein schwarzer Sarg auf einem weißen Bahrtuch, der Königstein. Ungewiß glänzten oben ein paar schwache Lichter.
Mitternacht war längst vorüber, als sie durch das Städtchen gleichen Namens fuhren und in den Wald abbogen, der den Berg ringsum mit Ahorn, alten Birken und mächtigen Eichen bedeckte.
»Wir sind zur Stelle!« Es war das erste Wort, das der Offizier sprach. »Meine Herren, Sie erwarten mich also hier! Seien Sie von meiner Sorgfalt und Rücksicht auf Ihren Sohn fest überzeugt, lieber Herr Bach!«
»Ich danke Ihnen von Herzen, mein Herr; Gott geleite Sie!«
Die Gestalt des Offiziers verschwand unter den Bäumen. Es war bitterkalt. Doles und Bach mußten auf und ab gehen, um sich warm zu halten. --
Inzwischen hatte Tacker dem Festungskommandanten die Freilassungsorder des Königs überreicht, fand aber nur bedenkliche Bereitwilligkeit: »Ja, sehen Sie, Herr Leutnant, der Gefangene befindet sich nicht in bester Verfassung. Als er eingeliefert wurde, war er sehr erschöpft; er hatte, wie ich mir erzählen ließ, durch wildes Wüten, Schreien, Rasen seinen ... hm ... Begleitern allerlei Mühe
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