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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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Mann. »O, ich habe es längst gewußt, daß Sie alles nur gezwungen taten, und glücklich macht es mich, daß Sie mir's nun sagen. Ach, Sie wissen nicht, wie leer mein Herz ist, wie wohl mir wäre, einmal ganz zu fühlen, wie einem Kinde ist, das Eltern hat. Ich hatte keine! -- Wenn ich meinen Fehler gestehe ...«
    »Lassen Sie es, mein Kind! Behalten Sie für sich, was Ihnen zu entdecken schwer wird. Meine Frau und ich, wir lieben Sie wie unser Kind! Sehen Sie uns also als Ihre Eltern an, Antonie! Vielleicht kommt bald die Zeit, wo sich Ihre Lage ändert, ohne daß ich meine Pflicht zu verletzen brauche. Und nun noch eins, meine Liebe: Ich habe um Ihretwillen damals meinen Sohn Georg fortgeschickt und auch meinen Sohn Friedrich in der ganzen langen Zeit nicht gesehen; sie kommen zu Besuch, und ich denke, sie werden heute eintreffen. Ich sage Ihnen das, damit Sie die Anwesenheit der jungen Leute nicht mißverstehen. Die Söhne besuchen die Eltern! Ich bin von meinen Kindern überzeugt, daß sie nichts tun werden, was meine kleine Gastfreundin verletzt.«
    Gerührt wollte Antonie die feinen Hände des alten Herrn an ihre Lippen ziehen. »Nein, nein, meine kleine Gefangene«, wehrte er ab, »ich küsse Sie lieber auf die Stirn. Mut, Kind! Auch die bösen Tage im Leben gehen vorüber!«
    Zur gleichen Stunde rief der Müller seiner Frau zu: »Sabine, mach mir meinen Schulzenrock gut sauber und kram deinen Kirchenstaat 'raus. Wir müssen heute nobel aussehen, wenn wir auf den Herrenhof gehen!«
    »Ja, ja, tu nur deine Arbeit, ich tue schon die meine!« scholl's aus der Wohnstube herüber.
    Der Herr war lustig samt der Frau, und die Gesellen waren's, weil es der Meister war. Das war nun zwar alle Tage, aber so kreuzfidel wie heute, das kam doch selten vor. »Sechs Uhr! Feierabend! Hebt aus! Schützt das Rad! Wir tun keinen Streich mehr!«
    Die Gesellen wischten sich den Staub aus den Augen und sahen den Meister verwundert an. -- »Ja, ja, wir hören eine Stunde eher auf! Warum? Nun, meines Bruders Herren Söhne kommen heute zu Besuch. Sind jahrelang nicht in Trotha gewesen! Da muß ich doch auch sehen, wie sie sich ausgewachsen haben seit der Zeit.«
    »Herr Jesus! -- Ach du meine Güte!« schrie und zeterte es drüben in der Stube. Und als der Müller und die Gesellen zur Meisterin stürzten, ließen zwei junge Männer in Reisekleidern schnell von ihr ab und wandten sich dem Alten zu: »Hurra! Da ist er ja!« -- und beide lagen dem Müller am Hals, und herüber und hinüber ging's, bis er ebenso atemlos war wie seine Ehehälfte.
    »Ja«, sagte der Ältere, »wir ließen in Zöbritz Papas Wagen mit unserem Gepäck zurück und gingen zu Fuß.«
    »Das war gescheit, Kinder! Hab's doch gleich gesagt, der Müller ist der erste, den sie sehen müssen!«
    »Und ob!« bestätigte Friedrich. »Und unsere kleinen Mitbringsel wollten wir auch bald loswerden.«
    Schmunzelnd betrachtete der Alte die mit Silber beschlagene Tabakspfeife, die der eine der Brüder, und die sechs Pfund Tabak, die der andere hervorholte; und Sabine wog gerührt eine kleine Schachtel in der Hand, in der sich eine goldene Halskette mit einem Henkeldukaten und ein fein besticktes seidenes Tuch befanden.
    »Aber nun los, Kinder!« mahnte endlich der Müller, nachdem er rasch in seinen Besuchsanzug geschlüpft war und die Mühlknechte mit einem Zechgroschen ins Wirtshaus entlassen hatte. »Eins jedoch noch, bevor ihr ins Vaterhaus tretet« -- und er nahm die beiden jungen Leute beiseite -- »ihr werdet ein junges Mädchen dort finden oder vielmehr eine Dame. Ich mein's gut mit euch, wenn ich euch warne, daß sich keiner von euch in sie vergafft! Es würde doch zu nichts helfen und nur Elend und Gram über die Familie bringen. Forschet nicht nach, ich sag' euch nicht mehr! Je weniger ihr euch um die Mamsell bekümmert, desto besser wird's für uns alle sein. Nun kommt, Kinder!« Ohne auf das Erstaunen der beiden jungen Leute zu achten, ging der Müller voran, machte den Kahn los, und bald befand sich die kleine Gesellschaft am jenseitigen Ufer.
    In den sonst so stillen Herrenhof zu Trotha brachte die Anwesenheit der beiden Brüder ein neues Leben, und es war niemand, von den Eltern bis zum geringsten Dörfler, der sich nicht über die Liebenswürdigkeit der Zwei gefreut hätte.
    Georg, eine kräftige, lebensfrische Natur, deren Derbheit durch eine fast kindliche Herzensgüte gemildert wurde, galt für einen der tüchtigsten, betriebsamsten Landwirte. Er besaß

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