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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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Unterstützung, in freier Zuneigung gewährt, er seinen Reichtum und die Gesichertheit seiner Existenz verdankte. Gar oft hatte er es daher mit Bedauern empfunden, daß die starke Inanspruchnahme durch Geschäfte jeglicher Art es sowohl ihm wie dem Freunde versagte, sich öfter zu sehen, ja, daß sogar ihr Briefwechsel langsam versickerte.
    Bis dann eines Tages -- es lag schon etliche Jahre zurück -- ein Reitknecht auf dem Herrenhofe erschien und dieses Schreiben überbrachte:
»Ich schreibe per Expressen. Du wirst also begreifen, daß die Angelegenheit, die diesen Brief veranlaßt, höchst wichtig ist. Wenn ich Dich bitte, den Inhalt nicht einmal Deiner Ehefrau mitzuteilen und die Epistel, wenn Du sie gelesen hast, zu verbrennen, so denke, daß die ganze Angelegenheit geheim ist. Ich weiß, daß mich die Welt haßt, weiß, daß mein Leben in Wahrheit mühevoll und elend ist, und überlasse Dir, meinem einzigen Freunde, das Urteil: ob ich alle die Schmach verdiene, die man mir antut. Zu den vielfachen Kränkungen, die ich erdulde, den Intrigen, die ich bestehen muß, um über Wasser zu bleiben, kommt mein häusliches Elend. Es ist so groß, daß ich Dir's nicht einmal sagen darf. -- Kurz und gut, ich bin gezwungen, tyrannisch zu sein. Meine Pflegetochter Antonie, deren Vater Du kennst, hat sich eines schweren Vergehens schuldig gemacht. Deswegen soll sie sogleich aus Dresden und nicht eher wieder in meine Nähe kommen, bis sie mit einem honetten Mann verheiratet ist. Ich kann und will sie aber niemand anders anvertrauen als Dir, einmal, um mein Geheimnis nicht bloßzugeben, zum anderen, weil ich weiß, daß Du sie am richtigsten behandeln wirst. Ich fordere diesen Dienst von Dir als einzigen Beweis Deiner Liebe. Vor allem muß ich Dich bitten, ihr jede Gelegenheit zu nehmen, Briefe abzusenden. Auch an mich oder ihre Mutter hat sie nicht zu schreiben! Sie mag in euch so lange ihre Eltern erkennen, bis ich sie rufen werde. Dies ist mein strenger Wille. Gib ihr keine Bedienung, der sie sich etwa mitteilen kann. Will sie ihr Herz erleichtern, so mag sie es Dir oder Deiner lieben Ehefrau ausschütten. Ihr werdet dann erkennen, daß nicht wirkliche Schlechtigkeit, sondern ihr überspannter Sinn, ihre einseitige Erziehung an allem schuld ist.«
    Das delikate Ansinnen erfüllte Eichstädt mit Unruhe und begreiflicher Besorgnis. Er hatte zwei Söhne; Friedrich, der jüngere, war Jurist und sah einer vielversprechenden Laufbahn beim zweiten Senat des Kammergerichts zu Berlin entgegen, Georg, der ältere, war Landwirt und teilte sich mit dem Vater in die Verwaltung der Güter. Eine Aufnahme des »gefallenen Mädchens« in seinem Hause bedingte also als erste Vorsichtsmaßnahme einen deutlichen Wink an den Sohn in Berlin, die Urlaubszeit bis auf weiteres auf Reisen zu verbringen, und sie bedingte die sofortige Übersiedlung Georgs nach dem Gut bei Potsdam. So unwillkommen diese und alle noch nicht absehbaren Störungen im Familienleben und einer liebgewordenen Hausordnung aber auch waren, die Betroffenen mußten sich damit abfinden; denn ablehnen konnte man Brühls Ersuchen auf keinen Fall.
    So rumpelte denn eines Nachts ein schwerer Reisewagen auf den Gutshof, und ihm entstieg der unerwünschte Gast. Er wurde mit gebotener Zurückhaltung, der jedoch jede Schroffheit fehlte, empfangen, aber auch mit dem Vorsatz und Willen, der Gestrauchelten die Tage der Buße so erträglich als möglich zu machen. Freilich, an Brühls deutlichen Weisungen war nicht zu rütteln, und trotz aller Schonung würde sich ein Leben »in Klausur« nicht umgehen lassen.
    Antonie, deren Herz von dem erlebten Unglück erschüttert war und das unter der ewigen Erinnerung an den Geliebten, der um sie auf dem Königstein schmachtete, ächzte, ließ die Strenge, die ihr der alte Herr von Eichstädt als eine schuldige Pflicht angekündigt hatte, still über sich ergehen. Sie blieb verschlossen und wie erstarrt. Der Herr und die Frau des Hauses verspürten keine Lust, sich wider ihren Willen in ihr Vertrauen zu drängen, und so überließ man sie sich selbst.
    Vereinsamt in der Einsamkeit des Landlebens, verbrachte Antonie das erste Jahr ihrer Verbannung, immer im gleichen Sinnen, im gleichen schmerzlichen Gefühl, im selbstquälerischen Wiederholen aller furchtbaren Einzelheiten des Erlebten. Aber allmählich wurde dann der Schmerz dumpfer, verwehender, die Seele erlahmte mit jeder erneuten Heraufbeschwörung der Unglücksbilder mehr und mehr und ließ

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