Friedemann Bach
eingebürgert und meine alte Thomasschule hab'. Zudem würde ich, wenn ich hier bedienstet wäre, am Ende meinen eigenen Sohn, den Emanuel, in den Schatten stellen. Das kann ich nicht, Majestät! Und auch die anderen Musici, so lieb sie mich haben, möchten scheel sehen. Besonders aber für meinen Friedemann -- um Verzeihung, daß ich's sage! -- habe ich von damals her eine unverwindbare Angst vor dem Hofleben und somit ... Ich will's schon zufrieden sein, wenn mich Euer Majestät in gutem Andenken behalten.«
Friedrich ergriff bewegt die Hände des alten Mannes: »Er mag recht haben! Die Höfe sind nicht der beste Boden für arglose Menschen. Ganz abschaffen läßt sich aber die Sache nicht. Er tut mir weh, daß Er nicht bleibt. Kann ich Ihm sonst etwas gewähren?«
Sebastian schüttelte den Kopf. Aber plötzlich legte es sich wie ein dunkler Nebel über ihn, eine zukunftsbange Angst krallte sich ihm ans Herz, und er flüsterte, ohne daß sein Wille dabei beteiligt war: »Wenn ich tot bin, mein König, dann nehmen Sie sich meines Friedemann an! Beschützen Sie ihn! Denn mir ist's, als ob ... als ob er untergehen würde.«
»Nein, er soll nicht untergehen, Bach, darauf mein königliches Wort! Ich werde für ihn sorgen!« Er drückte fest des Aten Hand, und während er ihn huldvoll zur Tür geleitete, dachte er über die seltsamen Rätsel des Menschenlebens nach.
Eine Woche danach stand der Reisewagen zur Abfahrt im großen Hofe des Stadtschlosses zu Potsdam bereit, und man war beim König versammelt, um Abschied zu nehmen.
Sebastian stand bei Graun und hatte die Hand vertraulich auf dessen Arm gelegt: »Ob der ›Cinna‹ eine gute Arbeit ist? Das ist er, bei Gott! Eins nur wünscht' ich, Graun. Daß Ihr mir nämlich den Gefallen tätet, einmal ein Stück guter Kirchenmusik zu schreiben. Etwas Großes! Ihr, mit Eurer Lerchenart in der Melodie, müßtet ganz gut die Englein im Himmel nachahmen können, wenn sie lobsingen. Nur anfangen müßt Ihr einmal!«
»Das ist schwer, Bach, sehr schwer! Aber gut, meine Hand drauf, ich tu's!«
Währenddessen sagte Astrua zu Friedemann und drückte ihm bedeutungsvoll die Hand: »Streben Sie recht, seien Sie rastlos und unermüdet in Ihrer Kunst, und -- kommen Sie wieder, Friedemann, ich erwarte Sie!«
»O, ich werde, Astrua, ich werde!« Er küßte ihre Hand, fest entschlossen, durch die Kunst siegreich zur Liebe emporzusteigen.
Der König trat ein. Er ging auf Bach zu und sagte, indem er ihm eine goldene Tabatiere in die Hand schob: »Er schnupft ja wohl, nehme Er das! Gott erhalte Ihn der deutschen Musik noch lange! Sei Er überzeugt, ich vergesse mein Versprechen nicht!«
Sebastian neigte sich über die Hand des Königs, Friedrich aber zog ihn an sich, umarmte ihn und ging. Als er unter der Tür stand, winkte er Friedemann zu sich: »Wenn Er irgendeinmal einen Wunsch hat, wende Er sich an mich, ich helf' Ihm! Er ist von heute an Oberorganist und Musikdirektor an der Marienkirche in Halle; sein Diplom werde ich Ihm nachschicken!«
Als der Wagen mit den Heimkehrenden, denen die Freunde noch lange nachwinkten, außer Sicht kam, sagte Emanuel zu Astrua: »Signora, Sie lieben mich nicht mehr, Sie lieben meinen Bruder!« -- und erhielt die Antwort: »Ich liebe ihn, Emanuel, weil ich Sie liebe. Ringe jeder von euch um mich, ich gehöre dem Besten!«
Gleichzeitig bemerkte Sebastian zu seinem Sohn: »Siehst du Friedemann, so ist kein Ding vergessen, ihm kommt ein Blütentag!«
Kapitel XVIII
Minister Brühl und Abraham von Eichstädt waren am Weißenfelsschen Hof zusammen Pagen gewesen. Sie hatten damals Freundschaft geschlossen und diesen Jugendbund über alle Wechselfälle des Lebens hinweg bis in ihre Mannesjahre treu bewahrt. Eichstädt hatte sich später vom Hofleben zurückgezogen und lange Jahre als Offizier in Meißen gelebt. Durch Brühls schnellen Aufstieg und das unerhörte Anwachsen seines Reichtums war auch in den Verhältnissen des Freundes die große Wendung erfolgt; er konnte mit des allmächtigen Staatsmannes Hilfe das Gut Trotha erwerben und dieser, in einer der landschaftlich besonders bevorzugten Gegenden der Saaleschleifen nordwestlich Halle gelegenen Besitzung noch ein zweites Gut bei Potsdam hinzufügen. Auf solcher Grundlage weiterbauend, vermochte er durch Glück, Klugheit und kaufmännisches Geschick sein Vermögen ständig zu mehren und zu einem bedeutenden Wohlstand zu gelangen. Nie aber vergaß sein schlichtes Herz, wessen Förderung und
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