Friedemann Bach
Mutterwitz, Weltklugheit und Unternehmungsgeist. Friedrich, der jüngere, war entschieden der Hübschere; er hatte viel Grazie der Bewegung, große Leichtflüssigkeit der Unterhaltung, Zierlichkeit und gedrungene Schärfe der Sprache. Seine Bildung war vorzüglich. Ein besonderer Freund der Künste, musizierte er ausgezeichnet und kannte die Literatur, namentlich die französische. Er war ein besonders befähigter Jurist und mit seinen knapp dreißig Jahren bereits Kammergerichtsrat in Berlin.
Papa Eichstädt machte, obwohl er wußte, daß der Müller schon vorgebaut hatte, seinen Söhnen das gemessenste Benehmen gegen Antonie zur Pflicht; er deutete an, daß das Mädchen ein seiner Ehre anvertrautes Pfand sei, und er es für ein schweres Unglück ansehen würde, wenn es einem einfiele, in ihr mehr als den Gast des Hauses zu sehen.
Indessen ...
Georg, der den Liebreiz Antonies wohl erkannte, dem aber die Art des Mädchens nicht anstand, kostete es wenig Überwindung, den elterlichen Wünschen nachzukommen. Friedrich aber, der in der Residenz Gelegenheit genug gehabt hätte, sein Herz an die Frau zu bringen, verlor es gerade hier in der Einsamkeit und an ein Mädchen, das ihm unerreichbar scheinen mußte. Je mehr er aber seine Zuneigung zu ihm unterdrückte, desto heftiger wurde sie, und er beschloß daher, abzureisen. Er eröffnete dem Vater, daß er, Briefen zufolge, Trotha sofort verlassen müsse.
»Ich fasse das nicht!« meinte der Alte bestürzt. »Ich glaube es nicht, Friedrich! Du kannst mir nicht offen ins Auge sehen!«
Durch Rede und Gegenrede in die Enge getrieben, gestand Friedrich schließlich seine Liebe zu Antonie ein: »Ich kann nichts dafür, Vater, daß mein Herz gegen dein Gebot rebellisch wird; aber wenn ich länger hierbleibe und Antonie merkt, daß ich sie liebe, dann ist's zu spät. Darum reise ich!«
Lange stand Eichstädt sinnend da, dann reichte er dem Sohne fest die Hand: »Ich danke dir, Friedrich! -- Aber sollen dich deine Eltern, nachdem sie so endlose Zeit auf dich verzichten mußten, nun schon wieder wegschicken? Noch ehe die vier Urlaubswochen zu Ende sind? Nein, nein!« -- und er sah wehmütig drein -- »doch halt ... ja, machen wir's so: du ziehst zunächst einmal für eine Woche hinüber zum Müller, und was dann weiter wird ... na, wollen's abwarten!«
»Du willst doch wegen Antonie nichts unternehmen, lieber Vater?«
»Nein, gewiß nicht!«
»Dann ist's gut! Ich ziehe in die Mühle und bleibe noch.«
Abraham von Eichstädt aber schrieb sofort an Brühl und teilte ihm offen und ehrlich die Sachlage mit. Schon wenige Tage später hielt er die Antwort in Händen »Du treue Seele«, las er, »hast mir mit Deinem Brief einen wahrhaften Beweis Deiner aufopfernden Freundschaft gegeben. Herzlichen Dank dafür! Ich antworte Dir darauf kurz bestimmt folgendes: Wenn Dein Sohn Antonie heiraten will, so soll er's tun. Dann ist die Prüfungszeit aus, und ich werde ihr zeigen, daß ich auch ein gütiger Vater sein kann.«
Eichstädt vernahm's mit gemischten Gefühlen; denn einerseits war ihm Antonie lieb wie ein eigenes Kind geworden, und er wußte kein Mädchen, das ihm als Schwiegertochter willkommener gewesen wäre, andrerseits kannte er die Art ihres Vergehens immer noch nicht, und das schnelle Einverständnis Brühls zu einer ehelichen Verbindung machte ihn von neuem stutzig.
Friedrich kümmerte der Zwiespalt der väterlichen Empfindungen nicht; ungezwungen überließ er sich nun seiner Neigung, doch mit der schlauen Zartheit und List der Liebe, die erobern will, und Antonie schien nicht unempfänglich für die Galanterie zu sein, die ihr auf die ausgesuchteste Weise erwiesen wurde. Sie mochte sich nach Freiheit sehnen, und diese fand sie im Umgang mit Friedrich. Alle drückenden Fesseln fielen unter seinen Händen von ihr ab, und das Zutrauen, das beide einander einflößten, wuchs um so mehr, je rücksichtsvoller Friedrich es vermied, nach Dingen zu forschen, die sich auf ihre Vergangenheit bezogen. Gleichwohl war die Erinnerung an Friedemann noch nicht ganz verblaßt und blieb als eine spürbare Zurückhaltung und eine leise Traurigkeit in Antonies Wesen haften. Friedrich fand nicht den Mut zu einem Geständnis, das so wenig erwartet zu werden schien.
Eines Abends, als Antonie und Friedrich mehrere Stücke auf dem Klavier gespielt hatten, wandte sich das Gespräch dem Musikleben Berlins zu, und der dort Heimische wußte gar vieles zu erzählen: von den tausend Gelegenheiten,
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