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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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als ein Bienenstock oder ein Ameisenhaufen und entsprach in dieser Hinsicht eher großen Biotopen der Natur, also Gattungspyramiden, die in einem subtilen Gleichgewicht von Konkurrenz, Antagonismus und Symbiose zueinander stehen. Es ist leicht begreiflich, daß ein Stabsgefreiter oder ein Feldwebel in solchen Streitkräften nichts zu tun hatte. Um hingegen alles  – und sei es nur bei einer Inspektion, nicht einmal bei der Führung – im Griff zu haben, hätte der Verstand einer ganzen Universität nicht ausgereicht. Daher kamen (außer in der Dritten Welt) die Offizierskorps bei den großen militärischen Umwälzungen des 21. Jahrhunderts am schlechtesten weg. Unter dem erbarmungslosen Druck des Trends, die Armeen zu entmenschen, barsten die schönsten Traditionen der Manöver und Vorbeimärsche, der Zapfenstreiche und Wachablösungen, der Portepees und Paradeuniformen, des Drills und des Rapports. Ein Weilchen ließen sich die hohen Führungschargen, die der Stäbe an der Spitze, noch für Menschen reservieren, leider aber eben nur ein Weilchen. Die strategisch-rechnerische Überlegenheit der computertechnischen Kommandostaffeln schlug am Ende selbst die gescheitesten militärischen Führer einschließlich der Marschälle mit Arbeitslosigkeit. Auch eine ordenübersäte Brust bewahrte den Generalstäbler nicht vor der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand. Damals entstand eine oppositionelle Widerstandsbewegung von Berufsoffizieren, die aus Verzweiflung über ihre Arbeitslosigkeit – es waren, wie gesagt, Berufs offiziere – in den terroristischen Untergrund gingen. Die Weltgeschichte entledigte sich dieser Rebellion mit wahrhaft ekelerregender Bosheit: mit Mikrospitzeln und einer Minipolizei, beide konstruiert nach dem Vorbild des bereits erwähnten Kakerlaken, dessen Kriegstüchtigkeit durch Nacht und Nebel ebensowenig beeinträchtigt wurde wie durch diverse Täuschungsmanöver seitens der desperaten Traditionalisten, die den Ideen von Achilles und Clausewitz die Treue hielten.
    Was die armen Länder anging, so konnten sie nur auf die alte Weise Krieg führen, mit Menschenkraft, folglich nur mit einem gleichermaßen anachronistisch kämpfenden Gegner. Wer sich militärische Automatisierung nicht leisten konnte, hatte sich mucksmäuschenstill zu verhalten.
    Die reichen Länder lebten deswegen durchaus nicht angenehmer. Politik auf alte Weise war nicht mehr möglich. Die von jeher immer diffuser werdende Grenze zwischen Krieg und Frieden wurde immer weniger erkennbar. Das zwanzigste Jahrhundert hatte kräftig dazu beigetragen, das feierliche Ritual der Kriegserklärung beseitigt und Begriffe eingeführt wie Fünfte Kolonne, Massensabotage, kalter Krieg und Krieg per procura . Selbst das aber war nur ein Anfang gewesen, die Unterschiede restlos zu verwischen. Die Feilscherei auf den Abrüstungskonferenzen zielte niemals nur auf ein Übereinkommen und die Konstituierung eines Gleichgewichts der Kräfte, sondern auch auf die Ausspürung der schwachen und starken Seiten des Gegners. Die eindeutige Alternative »Krieg oder Frieden« ging der Welt verloren, jetzt gab es Krieg, der Frieden, und Frieden, der Krieg war. In der ersten Phase dominierte – unter einer Maske offiziell erklärten Friedens – eine viele Bereiche umfassende Diversion. Sie durchsetzte politische, religiöse und soziale Bewegungen (sogar so ehrenwerte und harmlose wie die zum Schutze der Umwelt), unterwusch die Kultur und die Massenmedien, suchte die Illusionen der Jugend und die Traditionsbegriffe der Alten für sich zu gewinnen. Im zweiten Stadium verstärkte sich die kryptomilitärische Diversion, die in ihrer Wirkung bis zur Unkenntlichkeit dem Kriege glich, nur daß sie als Krieg nicht zu erkennen war. Den sauren Regen, der vom Himmel fiel, wenn schwefelhaltige Kohle verbrannt wurde und mit ihrem Rauch die Wolken zu verdünnter Schwefelsäure machte, hatte schon das zwanzigste Jahrhundert gekannt. Später gab es Regen, der Dächer, Fabriken, Straßen und Hochspannungsleitungen zerfraß, ohne daß man feststellen konnte, ob er das Werk der verseuchten Natur oder eines Feindes war, der die Giftwolken einem günstigen Wind mitgab.
    So verhielt es sich bald mit allem. Es gab Massensterben bei allen möglichen Nutztieren – aber waren diese Epizootien natürlich oder von jemandem ins Werk gesetzt? Geht der Sturm, der einen ganzen Landstrich unter Wasser setzt, auf ein Naturereignis wie einst oder die geschickte Entfesselung eines

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