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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Sprache verständigen, obgleich ihr Nervensystem um das 380 000fache kleiner ist als das Gehirn des Menschen. Für den einfachen Soldaten genügt vollkommen die Findigkeit einer Biene, sofern sie entsprechend transformiert wird. Kampftüchtigkeit und Vernunft sind – zumindest auf dem Schlachtfeld – zwei verschiedene Dinge. Hauptfaktor des Drucks, der die Miniaturisierung der Waffen bewirkte, war die Atombombe.
    Die Notwendigkeit der Miniaturisierung ergab sich aus einfachen, wohlbekannten Tatsachen, die allerdings außerhalb der Grenzen der damaligen Militärwissenschaft lagen. Als vor 70 Millionen Jahren ein gewaltiger Meteor auf die Erde gestürzt, mit seinen Trümmern die Atmosphäre verdunkelt und damit das Klima auf Jahrhunderte hinaus abgekühlt hatte, rottete diese Katastrophe mit Stumpf und Stiel die großen Echsen, die Dinosaurier, aus, schadete den Insekten jedoch nur wenig und ließ die Bakterien völlig verschont. Die Beweiskraft der Paläontologie war eindeutig: Je größer die obwaltende Zerstörungskraft ist, um so kleiner müssen die Organismen sein, die ihr entgehen sollen. Die Atombombe machte die Auflösung sowohl des Soldaten als auch der Armeen erforderlich. Der Gedanke, den Soldaten auf Ameisengröße schrumpfen zu lassen, konnte im 20. Jahrhundert jedoch außerhalb der Phantastik keinen Ausdruck finden. Der Mensch kann weder in Teilchen aufgelöst noch in seinen Maßen reduziert werden. Man dachte damals an automatische Soldaten und meinte damit Roboter von Menschengestalt, aber das war schon zu jener Zeit ein naiver Anachronismus. Die Industrie unterlag ja bereits der Entmenschung, aber die Roboter, die die Arbeiter an den Taktstraßen der Automobilwerke ersetzten, hatten keine Menschengestalt – sie bildeten lediglich die Vergrößerung ausgewählter Einzelteile des Menschen: als Gehirn mit einer mächtigen stählernen Hand, als Gehirn mit Augen und einer Faust, als Sinnes- und Greiforgane. Unter einer atomaren Bedrohung ließen sich große Roboter aber nicht einfach auf die Schlachtfelder versetzen.
    So entstanden radioaktive Synsekten (synthetische Insekten), Krustentiere aus Keramik, Schlangen und Ringelwürmer aus Titan, die sich in die Erde eingraben und nach einem Atomschlag wieder hervorkriechen konnten. Das fliegende Synsekt war gewissermaßen eine zu einem mikroskopisch kleinen Ganzen verschmolzene Legierung von Flugzeug, Pilot und Bewaffnung. Gleichzeitig wurde zur operativen Einheit die Mikroarmee , die nur als Ganzes eine Kampfkraft darstellte, etwa wie nur der ganze Bienenschwarm eine selbständige, überlebensfähige Einheit bildet, während die einzelne Biene nichts ist. Es entstanden also Mikroarmeen vieler Typen, gestützt auf zwei gegensätzliche Prinzipien. Nach dem Prinzip der Selbständigkeit wirkte eine solche Armee wie ein Kriegszug von Ameisen, eine Welle von Bakterien oder ein Schwarm von Hornissen. Nach dem Prinzip des Teletopismus war die Mikroarmee lediglich ein gewaltiger, fliegender oder kriechender Haufen von Elementen zur Eigenmontage: Je nach der taktischen oder strategischen Notwendigkeit bewegte er sich in starker Auflösung vorwärts, um sich erst am Ziel zu dem vorprogrammierten Ganzen zu vereinigen. Es verhielt sich so, als würde das Kriegsgerät die Rüstungsfabrik nicht in seiner endgültigen Gestalt, sondern in Halb- oder Viertelfertigteilen verlassen, die sich zusammenschließen, kurz bevor sie ins Ziel treffen. Das einfachste Beispiel dieser »selbstkoppelnden Armeen« war die autodisperse Atomwaffe. Eine ballistische Interkontinentalrakete mit einem Kernsprengkopf läßt sich aufspüren – durch Satellitenüberwachung aus dem All, durch Radar von der Erde aus. Diese Mittel versagen jedoch bei gigantischen Wolken von Mikroteilchen in starker Dispersität, die Uran oder Plutonium tragen und sich zur kritischen Masse erst am Ziel zusammenschließen, sei dieses nun eine Fabrik oder eine feindliche Stadt.
    Eine Zeitlang existierten die alten und neuen Waffengattungen nebeneinander her, aber das massive, schwere Kriegsgerät erlag bald endgültig den Angriffen der Mikrowaffen. Diese waren ja beinahe unsichtbar. Wie Krankheitserreger verstohlen in den Tierorganismus eindringen, um ihn von innen her zu töten, so durchsetzten die toten, künstlichen Mikroben nach den ihnen vorgegebenen Tropismen die Geschützläufe, Geschoßräume, Panzermotoren und Flugzeugtriebwerke, zerfraßen das Metall oder jagten, wenn sie an die Pulverladungen gelangten,

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