Frieden auf Erden
jedem Sektor gibt es so ein Ding, und ringsherum liegen Produktionsstätten. Untereinander können die Sektoren nicht Krieg führen, das ist ganz ausgeschlossen. Der SUPS entwickelt neue Waffensysteme, die sofort auf einen Gegner treffen, der sie unschädlich zu machen sucht: der SEleKtivSimulator – der SEKS. Das eine wie das andere wird von Computern nachgestellt, die nach dem Prinzip ›Schwert und Schild‹ programmiert sind. Das ist ungefähr so, als hätte jeder Staat auf dem Mond einen Digitalrechner installiert, der mit sich selber Schach spielt. Nur sind die Figuren dabei Waffen, und während des Spiels kann sich alles ändern: die Züge der Figuren, deren Schlagkraft, sogar das Schachbrett – alles.«
»Moment mal.« Ich stutzte. »Dort gibt es also nichts außer Computern, die einen Rüstungswettlauf simulieren? Das macht doch der Erde nichts, die simulierte Waffe ist doch harmloser als ein Blatt Papier!«
»Nein, nein! Die Projekte, die jeden Test optimal überstanden haben, gehen in die Produktion. Die andere Frage – und darin steckt der ganze Witz – ist der Zeitpunkt . Das sieht so aus: Der SUPS projektiert nicht nur irgendwelche neuen Einzelwaffen, sondern ganze Kampfsysteme. Diese sind unbemannt, das versteht sich inzwischen ja von selbst. Soldat und Waffe sind in eins verschmolzen. Noch besser wird das verständlich, wenn man die Entwicklungsgeschichte in der Natur als Vergleich hinzuzieht. Da gibt es einen Kampf ums Überleben, den Kampf ums Dasein, nicht wahr, das wird auch Ihnen schon aufgefallen sein. Um es bildlich auszudrücken: Der SUPS schafft die Projekte von Raubtieren, die der SEKS nach Schwachstellen absucht, damit er sie abtun kann. Hat er damit Erfolg, denkt sich der SUPS etwas Neues aus, und der andere hält wieder dagegen. Im Prinzip könnte dieser simulierte Krieg mit seinen ständigen Vervollkommnungen eine Jahrmillion so weitergehen, wenn nicht jeder dieser Komplexe nach einer gewissen Zeit tatsächlich die Waffenproduktion aufnehmen müßte. In welcher Zeitspanne das einzutreten hatte und welcher Wirkungsgrad vom jeweiligen Prototyp gefordert wurde – das hatte vorher ganz im Ermessen der Programmierer des jeweiligen Staates gelegen. Denn sehen Sie, jeder Staat wollte auf dem Mond ein Waffenlager haben, das wirklich existierte und nicht nur Sandkastenspiel oder Computersimulat war. Hier liegt der Hund begraben, kriegen Sie diesen Widerspruch mit?«
»Nicht ganz. Was für einen Widerspruch?«
»Die simulierte Evolution läuft viel schneller ab als die reale. Wer es durchhält, die Ergebnisse der Simulation gelassen abzuwarten, erhält die vollkommene Waffe – er ist aber wehrlos, solange er wartet. Wer die kürzere Simulation akzeptiert, erhält zwar die schlechtere Waffe – erhält sie aber früher! Wir nennen das den Pokerfaktor. Jeder Staat, der seine Militärmacht auf dem Mond stationierte, mußte sich im voraus entscheiden, was ihm lieber war: die bessere Waffe später oder die schlechtere früher.«
»Ich finde das irgendwie seltsam«, äußerte ich meine Bedenken. »Was passiert denn nun, wenn früher oder später die Produktion aufgenommen wird? Gehen die Waffen dann auf Lager?«
»Teilweise vielleicht, aber wirklich nur teilweise, weil dann nämlich nichts mehr simuliert wird. Dann tritt der Ernstfall ein. Natürlich nur innerhalb des jeweiligen Sektors.«
»Eine Art Manöver?«
»Nein. Bei Manövern ist der Kampf immer nur vorgetäuscht, da fallen keine Soldaten. Dort hingegen« – der Direktor wies auf den bunten Mondlampion – »läuft echter Krieg. Innerhalb der Sektorengrenzen, das betone ich noch einmal. Gegen den Nachbarn läuft nichts!«
»Diese Waffen bekämpfen und vernichten sich erst mal im Computer, also nur scheinbar, aber nachher wirklich? Und dann?«
»Das ist es ja! Das weiß eben keiner! Im Grunde gibt es zwei Möglichkeiten – entweder hat der Rüstungswettlauf eine Grenze, oder er hat sie nicht. Hat er sie, dann muß es eine Endsiegwaffe geben, bei der jedes Wettrüsten – als simulierte Evolution – zum Stillstand kommt. Solche Waffen können sich gegenseitig nicht besiegen, es kommt zu einem stabilen Gleichgewicht. Die Entwicklung läuft aus und versiegt. Die Mondarsenale erfüllen bei den Waffen, die die letzte Prüfung bestanden haben, den Soll-Stand, und dann ist Ruhe. Das würden jedenfalls wir uns wünschen.«
»Und das ist nicht so?«
»Es ist mit Gewißheit anzunehmen, daß es kaum so ist. Erstens mal hat
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