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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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die Hilfszeitwörter »sein« und »haben« gebraucht. Wenn ich mir Notizen machte und sie hinterher durchlas, stellte ich fest, daß es sich mit mir so verhielt. Außer solchen Details teilten die Arbeiten der Fachleute mir aber nichts Wesentliches mit. Sie enthielten eine Menge widersprüchlicher Hypothesen, ich suchte eine jede auf mich anzuwenden, und als sie nicht zutrafen, packte mich die Wut auf diese Gelehrten, die so taten, als wüßten sie besser als ich, wie es ist, jetzt ich zu sein. Eines Tages war ich schon bereit, alle Vorsicht aufzugeben und zur Lunar Agency nach New York zu fahren. Am Morgen darauf erschien mir das als das letzte, was ich tun durfte. Tarantoga ließ nichts von sich hören, und obwohl ich selber ihn gebeten hatte, auf ein Zeichen von mir zu warten, begann mich sein Schweigen zu ärgern. Schließlich beschloß ich, mich selber männlich anzupacken, wie es einst der ungeteilte Ijon Tichy getan hätte. Ich fuhr nach Derlin, einem kleinen Nest, zwei Meilen vom Sanatorium entfernt. Von den Einwohnern hieß es, ursprünglich hätten sie es Berlin nennen wollen, dann hätten sie aber den ersten Buchstaben verwechselt.
    Ich wollte eine Schreibmaschine kaufen, um die linke Hand ins Kreuzfeuer der Fragen nehmen zu können, die Antworten zu notieren und davon so viele zu sammeln, daß sich feststellen ließ, ob sie zusammen einen Sinn ergeben. Schließlich konnte ich ja ein rechtsseitiger Idiot sein, und nur der Ehrgeiz ließ nicht zu, daß ich mich davon überzeugte. Blair, Goddeck, Shapiro, Rosenkrantz, Bombardino, Klosky und Serenghi behaupteten, die Sprachlosigkeit der rechten Halbkugel sei eine Tiefe voller unbekannter Gaben der Intuition, des Vorgefühls, wortloser komplexer Orientierung, sogar etwas Geniales, der Raum, wo die Quellen all der Wunderlichkeiten liegen, mit denen der linke Rationalismus sich nicht abfinden will: Telepathie, Hellsehen, geistige Versetzungen in andere Dimensionen der Existenz, Gesichte, mystische Zustände der Verzückung und Erleuchtung. Von Kleis, Zuckerkandel, Pinotti, Veehold, Frau Meyer, Rabaudi, Ottitchkin, Nüerlö und an die achtzig weiteren Experten wurde das bestritten. Freilich, Resonator, Organisator der Gefühle, assoziatives System, Echoraum des Denkens, auch ein gewisses Erinnerungsvermögen, aber ohne die Fähigkeit, sich auszudrücken, das rechte Gehirn als alogische Mißgeburt, exzentrisch, Phantastereien treibend, Lügner und Hermeneutiker, zwar Geist, aber im Rohzustand, Mehl und Hefe zugleich, aus denen Brot jedoch erst das linke Gehirn backen kann. Andere waren der Meinung, das rechte Gehirn sei der Generator, das linke der Selektor, jenes sei durch dieses von der Welt getrennt und daher von ihm geleitet, in menschliche Sprache übersetzt, ausgedrückt, kommentiert und in die Zucht genommen – erst das linke Gehirn mache aus ihm den Menschen.
    Hous hatte mir seinen Wagen angeboten, er war über mein Vorhaben weder erstaunt, noch riet er mir davon ab. Auf ein Blatt Papier zeichnete er die Hauptstraße und markierte mit einem Kreuzchen die Stelle, wo sich das städtische Kaufhaus befand. Allerdings gab er zu bedenken, daß ich es wohl nicht mehr schaffen werde, denn es sei Sonnabend, und da schließe das Geschäft um eins. So trieb ich mich den ganzen Sonntag im Park herum, wobei ich Adelaide möglichst aus dem Weg zu gehen suchte.
    Am Montag konnte ich Hous nicht finden und benutzte deshalb den Bus. Er verkehrte jede Stunde; als ich zustieg, war er fast leer. Der Fahrer war ein Neger, die einzigen Fahrgäste zwei eisschleckende Kinder. Die kleine Stadt sah wie die amerikanischen Ortschaften von vor fünfzig Jahren aus: eine einzige breite Straße, Telegrafenmasten, Häuser mit Vorgärten, niedrige Hecken, an jeder Pforte ein Briefkasten. Ein paar größere Wohnhäuser gaben der Kreuzung mit der Fernverkehrsstraße einen Anschein von Stadt. Ein Briefträger unterhielt sich dort mit einem verschwitzten, dicken Burschen in grellbuntem Hemd. Sein Hund, ein großer Köter mit einem Stachelhalsband, pinkelte an einen Laternenpfahl. Direkt daneben stieg ich aus, der Bus stieß eine Wolke stinkenden Qualms aus und fuhr weg. Ich hielt Ausschau nach dem Warenhaus, das mir Doktor Hous angegeben hatte. Das große, verglaste Gebäude stand auf der anderen Straßenseite. Zwei bekittelte Angestellte brachten aus dem Lager irgendwelche Kisten und luden sie mit dem Gabelstapler auf einen Lastwagen. Die Sonne brannte unerträglich. Der Fahrer des

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