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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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braungebrannter, blonder, fast weißhaariger Mann. Er musterte mich mit einer so beredten Gelassenheit, als wollte er sagen: Da kannst du mal sehen!
    Erst da wurde mir bewußt, was noch seltsamer gewesen war als dieser Versuch einer Entführung: Obwohl ich noch den Feuerstoß, die Explosionen und Schreie im Ohr hatte, war nirgendwo ein Fenster aufgegangen, hatte niemand auf die Straße geguckt. Ich stand da wie in einer verlassenen Filmkulisse. Ich stand ziemlich lange da und wußte nicht, was ich tun sollte. Den Kauf einer Schreibmaschine hielt ich nicht mehr für nötig.

IV. Die LUNAR AGENCY
    »Herr Tichy«, sprach der Direktor, »die Einzelheiten der Mission erfahren Sie von meinen Leuten. Ich will Ihnen nur ein allgemeines Bild vermitteln, um zu verhindern, daß Sie am Ende vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen. Der Genfer Vertrag hat vier Dinge fertiggebracht, die unmöglich schienen: Erstens die allgemeine Abrüstung bei fortwährendem Rüstungswettlauf. Zweitens maximales Rüstungstempo – zum Nulltarif. Drittens die absolute Sicherheit jedes Staates vor einem Überraschungsangriff unter Wahrung des Rechts, Krieg zu führen, sofern das jemand wünscht. Viertens und letztens die Abschaffung sämtlicher Armeen, die dennoch weiterbestehen. Es gibt keine Streitkräfte mehr, aber die Stäbe sind geblieben und können planen, was sie wollen. Mit einem Wort: Wir haben pacem in terris. Alles klar?«
    »Alles klar«, sagte ich. »Nun lese ich aber auch Zeitung, und da wird manchmal geschrieben, wir seien aus dem Regen in die Traufe gekommen. Irgendwo habe ich gelesen, daß der Mond sein Schweigen bewahrt und alle Kundschafter schluckt, weil es JEMANDEM gelungen ist, mit den dortigen Robotern ein Geheimabkommen zu schließen. Hinter alledem, was auf dem Mond vor sich geht, soll ein Staat stehen. Die Agency wisse das auch ganz genau. Was meinen Sie dazu?«
    »Das ist reines Geschwafel«, erklärte der Direktor energisch. Das Dienstzimmer, in dem er residierte, war groß wie ein Tanzsaal. Auf einem Podium stand ein riesiger, von den Pockennarben der Krater übersäter Mondglobus. Von Pol zu Pol erstreckten sich in Grün, Rosa, Gelb und Orange die Sektoren der einzelnen Staaten, der Globus sah dadurch aus wie ein großer bunter Badeball oder eine vielfarbig eingefärbte geschälte Apfelsine. An der Wand hinter dem Direktor hing von der Decke die Flagge der Vereinten Nationen.
    »Es ist Blödsinn, der zur Zeit in Mengen verzapft wird«, sagte der Direktor voller Nachdruck, und auf seinem dunklen Gesicht zeigte sich ein nachsichtiges Lächeln. »Unser Pressebüro steht Ihnen mit einer Übersicht dieser Hirngespinste gern zu Diensten. Sie sind alle aus den Fingern gesogen.«
    »Aber diese Neopazifisten, diese Bewegung der Lunophilen – das ist doch eine Tatsache?«
    »Die sogenannten Mondsüchtler? Natürlich gibt es die, aber haben Sie ihre Erklärungen oder ihr Programm gelesen?«
    »Ja. Sie verlangen ein Abkommen mit dem Mond …«
    »Ein Abkommen!« prustete verächtlich der Direktor. »Sie verlangen kein Abkommen, sondern die Unterwerfung! Die haben noch die Eierschalen hinter den Ohren! Wem wollen sie sich denn unterwerfen? Sie bilden sich ein, der Mond sei JEMAND geworden, man könne ihn als vertragschließende Seite anerkennen, als Bündnispartner, der Macht und Intelligenz besitzt! Sie glauben, dort gebe es nur noch einen gigantischen Computer, der sämtliche Sektoren geschluckt hat. Die Angst, Herr Tichy, hat nicht nur große Augen, sondern auch einen kurzen Verstand.«
    »Na schön, aber die Versammlung all dieser Waffen dort, all dieser Armeen, falls das wirklich Armeen sind – läßt sich ihre Vereinigung wirklich ausschließen? Wo nehmen Sie die Gewißheit her, daß so was nicht vorkommen kann? Sie sagen doch selber: Nichts Genaues weiß man nicht!«
    »Selbst dort, wo man nicht nur nichts Genaues, sondern überhaupt nichts weiß, sind bestimmte Dinge nicht möglich. Der Sektor eines jeden Staates ist als evolutionäres Erprobungsgelände angelegt worden. Bitte sehen Sie selbst.«
    Er nahm ein flaches Kästchen zur Hand, die einzelnen Sektoren leuchteten auf, bis der Mondglobus erstrahlte wie ein bunter Lampion.
    »Die breiteren Streifen hier gehören den Supermächten. Wir haben natürlich gewußt, was wir da abladen, unsere Agentur war ja das Transportunternehmen. Wir haben auch die ganze Erschließung gemacht, die Baugruben ausgehoben, wo die SUPS draufkommen sollten, die Supersimulatoren. In

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