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Frieden auf Erden

Frieden auf Erden

Titel: Frieden auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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eigentlich gar nichts begriff), daß er mein Spiegelbild war. Um mich zu vergewissern, bezwang ich meinen inneren Widerstand und ging auf ihn los. Er kam mir entgegen, bis wir fast mit den auf der Brust gewölbten Raumanzügen aneinanderstießen. Langsam, als solle ich glühendes Eisen berühren, griff ich nach seiner Brust, und er nach der meinen, ich mit der Rechten, er mit der Linken. Mein fünffingriger massiver Handschuh glitt spurlos in ihn hinein, verschwand einfach in ihm, und das gleiche geschah mit dem seinen bei mir. Nun hatte ich kaum noch einen Zweifel, daß ich allein war und vor meinem Spiegelbild stand, wenngleich ich auch nicht die Spur eines Spiegels bemerkte. Reglos standen wir voreinander, ich sah nicht mehr ihn, sondern seine nähere Umgebung an, wo ich hinter seinem Rücken jenen aus dem grauen Boden ragenden Felsen erblickte, dem ich vorhin bei der Landung ausgewichen war. Dieser Felsen befand sich jedoch hinter mir, dessen war ich ganz sicher. Demnach sah ich nicht nur das Spiegelbild meiner selbst, sondern auch der Umgebung. Nun suchte ich die Nahtstelle ausfindig zu machen, wo das Spiegelbild endete. Irgendwo mußte es ja enden und in die Unebenheiten der flachen Monddünen übergehen, aber ich konnte diese Grenze nicht entdecken.
    Da ich nicht wußte, wie ich mich verhalten sollte, zog ich mich zurück, und auch darin folgte er mir, rückwärts schreitend wie ein Krebs. Wir entfernten uns voneinander, er wurde kleiner, und plötzlich, ich weiß nicht, warum, kehrte ich ihm einfach den Rücken und schritt vorwärts, direkt in die tiefstehende Sonne, die mich trotz der Sonnenschutzgläser stark blendete. Nach einigen Dutzend Schritten in diesem schwankenden Watschelgang, der auf dem Mond nicht zu vermeiden ist, blieb ich stehen und sah zurück. Auch er stand dort auf dem Scheitel einer kleinen Düne und hielt, zur Seite gekehrt, Ausschau nach mir.
    Weitere Experimente waren eigentlich überflüssig, dennoch stand ich da wie eine Salzsäule. Mir schwirrte der Kopf von fieberhaftem Nachdenken. Erst jetzt wurde mir auf einmal bewußt, daß ich mich nie erkundigt hatte, ob die von der Lunar Agency bisher auf den Mond entsandten Aufklärungsautomaten bewaffnet gewesen waren. Niemand hatte mir etwas darüber gesagt, und ich Trottel hatte nicht gefragt, weil ich einfach nicht daraufgekommen war. Wenn sie bewaffnet gewesen waren, so hatte ihr Schweigen nach der Landung und ihr plötzliches Verschwinden eine einfache Ursache – vorausgesetzt, sie waren mit Laser ausgerüstet.
    Dessen mußte ich mich vergewissern, aber wie? Ich hatte keinen Direktkontakt mit der Zentrale auf der Erde, nur mit dem Raumschiff, das hoch über mir hing, weil es sich, mit der gleichen Winkelgeschwindigkeit wie die Mondoberfläche, auf einer stationären Umlaufbahn bewegte. In Wirklichkeit, also als Person von Fleisch und Blut, befand ich mich an Bord, im Flamsteed-Krater stand ich nur als Sendling. Um mich mit der Erde verständigen zu können, mußte ich den Sender einschalten, ein Innenrelais im Raumanzug. Ich hatte es vor Verlassen des Raumschiffs absichtlich außer Betrieb gesetzt, damit meine irdischen Betreuer mir bei der Landung nicht mit Ratschlägen dazwischenkamen, die sie mir bestimmt nicht erspart hätten, wenn ich der Instruktion gemäß mit ihnen in Funkkontakt geblieben wäre. Ich drehte also an dem gut erreichbaren Knopf auf der Brust und rief die Erde. Ich wußte, daß die Antwort mit einer Verzögerung von drei Sekunden eintreffen würde, aber diese Sekunden wurden mir zur Ewigkeit. Endlich hörte ich die Stimme Vivitchs. Er überhäufte mich mit Fragen, aber ich gebot ihm Schweigen und meldete nur, ich sei einwandfrei gelandet, befinde mich am Ziel Nummer Null Null Eins, ohne angegriffen worden zu sein. Von dem Spiegelbild sagte ich kein Wort.
    »Bitte geben Sie mir Antwort auf eine einzige Frage«, sagte ich möglichst lässig und phlegmatisch. »Es ist sehr wichtig. Die Sendlinge, die ihr vor mir hergeschickt habt, waren mit Laser ausgerüstet. War es Neodym-Laser?«
    »Haben Sie die Trümmer gefunden? Sind sie verbrannt? Liegen sie dort, wo …«
    »Bitte beantworten Sie eine Frage nicht mit Fragen«, schnitt ich ihm das Wort ab. »Da dies mein erstes Wort vom Mond ist, dürfte es von Wichtigkeit sein. Was für Laser hatten die beiden Kundschafter? Hatten Lon und dieser andere die gleichen?«
    Ein kurzes Schweigen. Reglos stand ich unter dem schweren, schwarzen Himmel, an einem von erhärtetem Sand

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