Friedhof der Kuscheltiere
Kannibalen aus ihm gemacht, sondern den Vater von Kannibalen. Er war im Traum wieder auf dem Tierfriedhof gewesen, aber diesmal nicht allein. Bill und Timmy Baterman waren dabei gewesen, Jud war dabei gewesen, gespenstisch und tot aussehend, seinen Hund Spot an einer Wäscheleine. Lester Morgan war dabei gewesen, mit dem Bullen Hanratty an einem Stück Abschleppkette. Hanratty lag auf der Seite und sah sich mit hirnloser, betäubter Wut um. Und aus irgendeinem Grund war auch Rachel dabei gewesen, und beim Abendessen war ihr irgendein Malheur passiert -- sie hatte eine Flasche Ketchup umgestoßen oder vielleicht eine Schüssel mit Preiselbeergelee; ihr Kleid war voller roter Flecke.
Und dann, hinter dem Totholz zu gigantischer Höhe aufgerichtet, die Haut rissig und reptiliengelb, die Augen große, verschleierte Nebelleuchten, die Ohren nicht Ohren, sondern mächtige gewundene Hörner, war der Wendigo erschienen, eine Bestie, die aussah wie eine von einer Frau geborene Echse. Er deutete mit seinen hornigen Nagelfingern auf sie alle, und sie legten den Kopf immer weiter in den Nacken, um ihn zu sehen...
»Schluß damit«, flüsterte er und schauderte beim Klang seiner eigenen Stimme. Er würde in die Küche gehen, beschloß er, und sich ein Frühstück machen, als wäre es ein ganz gewöhnlicher Tag. Ein richtiges Junggesellenfrühstück mit einer Menge tröstlichen Cholesterins. Ein paar Sandwiches mit Spiegeleiern und Mayonnaise, und auf jedes eine Scheibe Bermudazwiebel. Er roch verschwitzt und schmutzig und sauer, aber er würde sich das Duschen für später aufsparen. Im Augenblick kam es ihm zu mühsam vor, sich auszuziehen; wahrscheinlich würde er das Skalpell aus seiner Tasche holen und das Hosenbein aufschneiden müssen, um sein geschwollenes Knie freizulegen. Ein Jammer, gute Instrumente so zu mißbrauchen, aber der schwere Jeansstoff ließ sich mit keinem anderen Messer im Haus schneiden, und Rachels Schneiderschere war ihm bestimmt nicht gewachsen.
Aber zuerst das Frühstück.
Er durchquerte das Wohnzimmer. Dann machte er einen Abstecher zur Vordertür und blickte zu dem kleinen, blauen Wagen auf Juds Auffahrt hinüber. Er war taufeucht; also stand er schon geraume Zeit dort. Church war noch auf dem Dach, schlief aber nicht, sondern schien Louis mit seinen häßlichen grüngelben Augen unverwandt anzustarren.
Louis wich zurück, als hätte man ihn beim Spionieren ertappt.
Er ging in die Küche, holte eine Bratpfanne aus dem Schrank, setzte sie auf den Herd, nahm Eier aus dem Kühlschrank. Die Küche war hell und klar und sauber. Er versuchte zu pfeifen, um dem Morgen seine Proportionen zurückzugeben, aber er konnte es nicht. Die Dinge sahen richtig aus, aber sie waren es nicht. Das Haus schien entsetzlich leer, und die Arbeit der letzten Nacht lastete auf ihm. Die Dinge waren falsch, verzerrt; er fühlte einen Schatten über sich, und er hatte Angst.
Er hinkte ins Badezimmer und spülte ein paar Aspirin mit einem Glas Orangensaft hinunter. Er war gerade auf dem Rückweg zum Herd, als das Telefon läutete.
Er nahm den Hörer nicht gleich ab, sondern drehte sich nur um und sah den Apparat an; er kam sich träge und geistlos vor, wie ein Trottel in einem Spiel, das er, wie ihm erst jetzt klar wurde, nicht im mindesten begriff.
Nimm den Hörer nicht ab, du willst den Hörer nicht abnehmen, das ist die schlimme Nachricht, das ist das Ende der Leine, die um die Ecke führt und in die Dunkelheit, ich glaube nicht, daß du wissen willst, was am anderen Ende der Leine ist. Louis, das willst du bestimmt nicht wissen, also nimm den Hörer nicht ab, lauf jetzt, der Wagen steht in der Garage, steig ein und fahr davon, nimm den Hörer nicht ab...
Er durchquerte das Zimmer und nahm den Hörer ab, eine Hand auf dem Wäschetrockner, wie schon so oft zuvor, und es war Irwin Goldman, und schon als Irwin »Hallo« sagte, entdeckte Louis die Spuren, die quer durch die Küche führten -- kleine, schlammige Spuren --, und das Herz schien ihm in der Brust zu erstarren; er hatte das Gefühl, als quöllen seine Augen aus ihren Höhlen heraus; er war überzeugt, wenn er in diesem Augenblick in einen Spiegel hätte sehen können, hätte ihm das Gesicht eines Irrenhausinsassen auf einem Gemälde des siebzehnten Jahrhunderts entgegengeblickt. Es waren Gages Spuren; Gage war hier gewesen, er war in der Nacht hier gewesen, und wo war er jetzt?
»Hier ist Irwin, Louis... Louis? Bist du da? Hallo?«
»Hallo, Irwin«, sagte er
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