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Friedhof der Unschuldigen: Roman (German Edition)

Friedhof der Unschuldigen: Roman (German Edition)

Titel: Friedhof der Unschuldigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Miller
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Gebäuden um den Platz aus dabei zugesehen …
    Am Ende des Flurs wartet der Führer auf ihn. Er hebt einen weiteren Vorhang. Jean-Baptiste bückt sich, schlüpft unter seinem Arm hindurch.
    »Zulima«, beginnt der Mann, der seine Rede abspult, als wäre er eine Art Automat, »war eine persische Prinzessin, die wie Kleopatra am Biss einer Giftschlange starb. Sie war erst siebzehn Jahre alt und unglücklich verliebt. Ihre Reinheit« – ein weiterer, dünnerer Vorhang wird zurückgezogen – »und die Künste der persischen Priester haben sie über zweihundert Jahre lang vollkommen konserviert.«
    Sie liegt auf einer Plattform, die halb Katafalk, halb Ruhebett ist. Zu ihren Füßen brennen zwei Kerzen, zwei weitere neben ihrem Kopf. Ihr Körper ist in ein Leichentuch gehüllt, ein Wickeltuch aus irgendeinem durchsichtigen Stoff – Tüll, Organza, wer weiß. Sie ist mannbar. Sie ist vollkommen. Die jungen Männer stehen zu beiden Seiten von ihr und betrachten sie. Der Ältere wartet am Fußende, den Kopf wie im Gebet geneigt.
    »Erinnert sie Sie an jemanden?« flüstert Armand.
    »Nein«, sagt Jean-Baptiste, aber er weiß, an wen der Organist denkt. In der Tat besteht in dem wächsernen Gesicht, der üppigen Figur eine ausgeprägte Ähnlichkeit mit Ziguette Monnard.
     
    Vom Palais aus begeben sie sich zum Essen in ein Wirtshaus in der Nähe der Börse. Man gibt ihnen einen gewöhnlichen Tisch und setzt ihnen das aus Brotsuppe und gekochtem Rindfleisch bestehende Essen für zehn Sous vor. An der hinteren Wand des Zimmers brennt ein munteres Kaminfeuer. Sie trinken Wein, Rotwein, der weder gut noch schlecht ist. Sie trinken und unterhalten sich, und allmählich röten sich ihre Wangen. Armand bekennt ohne Schamgefühl oder Verlegenheit, dass man ihn in der Drehlade am Hôpital des Enfants-Trouvés abgelegt hat. Dank seines Talents wurde die Leitung auf ihn aufmerksam, die wiederum die Kommission auf ihn aufmerksam machte, jene wohltätigen Männer und Frauen, die unter den grindigen, kahlrasierten Kindern, die in jenen Sälen lebten und starben, gern nach dem einen suchen gingen, das zu retten sich lohnte.
    »An einem solchen Ort gibt es keine jugendlichen Illusionen. Man verkennt nicht, wie es um die Welt bestellt ist. Mit Sieben waren wir alle so zynisch wie Äbte.«
    Sie sind sich darin einig, dass der Verlust von Illusionen eine unverzichtbare Vorbereitung für jene darstellt, die es auf der Welt zu etwas bringen wollen. Bei der dritten Flasche vertrauen sie einander an, dass sie ehrgeizig sind, ungeheuer ehrgeizig, und dass sie dank Glück und harter Arbeit als berühmte Männer zu sterben gedenken.
    »Und reich«, sagt Armand, während er sich eine Fleischfaser zwischen den Zähnen hervorpuhlt. »Ich habe nicht vor, als jemand zu sterben, der nur seiner Armut wegen berühmt ist.«
    Jean-Baptiste spricht von seinem früheren Gönner, dem Comte de S-, von seinen zwei Jahren an der Ecole des Ponts, von Maître Perronet, von den Brücken, die zu bauen er träumt, gedankenleichten Konstruktionen, die die Seine, die Orne, die Loire überspannen …
    Wein und unvermutete Tiefen von Einsamkeit haben eine Überschwenglichkeit bei ihm erzeugt, die ihm, in nüchternem Zustand, bei einem anderen weder Vertrauen noch Zuneigung einflößen würde. Beinahe, um ein Haar, erzählt er Armand, was er hier in Paris tun soll, denn Armand wäre bestimmt beeindruckt und würde erkennen, was er selbst (im rubinroten Licht des Schenkenweins) erkannt hat – dass den Friedhof zu zerstören heißt, den giftigen Einfluss der Vergangenheit de facto , und nicht nur rhetorisch, hinwegzufegen! Und würde Armand dann nicht zugeben müssen, dass er, Jean-Baptiste Baratte, Ingenieur, ohne jedes Drumherumgerede der Partei der Zukunft, ja ihrer Vorhut angehört? Oder wäre er bestürzt? Entsetzt? Wütend? Wie genau sieht Armand Saint-Méards Beziehung zum Bischof aus? Was hat man Seiner Gnaden von den Plänen des Ministers erzählt?
    Draußen pinkeln sie gegen eine Wand, knöpfen sich die Hosen zu und segeln weiter durch den Rest des Nachmittags. Sie unterhalten sich immer noch, quasseln immer noch über Politik, Paris, die unverlierbare Würde der Bauern (Aber über Bauern weiß ich Bescheid, will Jean-Baptiste sagen, ich bin mit Dutzenden von ihnen verwandt) , doch keiner hört dem anderen mehr richtig zu, und er wird ohnehin schon wieder in ein Haus genötigt – wo er sich sofort betrunkener fühlt als im Freien – und einem Mann vorgestellt,

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