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Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Mond.
    Keine Sterne. Eine dieser Nächte, in denen der Nebel sehr früh vom Meer heraufzieht und Los Angeles in zweihundert Metern Höhe zudeckt. Das Geräusch der Flugzeuge wird gedämpft, die Flughäfen müssen schließen.
    Ich blickte angestrengt auf den kleinen Hügel, in der Hoffnung, einen trunkenen Christus bei seiner letzten Himmelfahrt zu entdecken.
    »J. C!« flüsterte ich.
    In diesem Moment teilten sich die Wolken. Ich sah, daß die Kreuze leer waren.
    Drei Tote, dachte ich. Clarence in einer Papierflut ertrunken, Doc Phillips am hellichten Tag in die Mitternacht von Notre Dame gehievt, nur einen Schuh zurücklassend. Und nun …?
    »Siehst du was?« fragte Crumley.
    »Morgen vielleicht.«
    Wenn ich den Felsen zur Seite rolle. Falls ich den Mumm dazu habe.
    Im Wagen herrschte rundum abwartende Stille.
    »Raus«, schlug Crumley vor.
    Ich sagte leise: »Raus.«
    Am Vordereingang rief Constance dem Wachmann, der zurückschreckte, etwas Obszönes zu.
    Wir fuhren Richtung Meer – und Crumleys Haus.
     

56
     
    Unterwegs machten wir bei mir halt. Ich rannte hinein und holte meinen 8-Millimeter-Projektor. Da klingelte das Telefon.
    Nach dem zwölften Klingeln nahm ich den Hörer ab.
    »Na?« sagte Peg. »Wieso stehst du zwölf Klingeln lang mit der Hand auf dem Hörer neben dem Telefon?«
    »Mein Gott, weibliche Intuition.«
    »Was ist los? Wer ist verschwunden? Wer schläft im Bett von Mama Bär? Du hast mich nicht angerufen. Wenn ich dort wäre, würde ich dich aus dem Haus schmeißen. Auf diese Entfernung geht es zwar nicht so leicht, aber trotzdem: Raus mit dir!«
    »Okay.«
    Das traf sie wie ein Schuß in die Brust.
    »Langsam, langsam«, sagte sie alarmiert.
    »Du sagtest doch: Raus!«
    »Ja, schon, aber …«
    »Crumley wartet draußen auf mich.«
    »Crumley!« Sie kreischte beinahe. »Bei den Eingeweiden des Erlösers! Crumley!?«
    »Er beschützt mich, Peg.«
    »Vor deiner Panik? Kann er dich vielleicht Mund-zu-Mund beatmen? Kann er sich dafür verbürgen, daß du Frühstück, Mittagessen und Abendbrot zu dir nimmst? Hält er dich vom Kühlschrank fern, damit du nicht gar so feist wirst? Sorgt er dafür, daß du regelmäßig die Unterwäsche wechselst?«
    »Peg!«
    Wir mußten beide ein bißchen lachen.
    »Gehst du wirklich noch aus? Mama kommt mit Flug siebenundsechzig nach Hause, Pan Am, am Freitag. Sei bloß dort! Und daß du bis dahin alle Mordfälle gelöst, alle Leichen begraben und alle raubgierigen Weibsbilder die Treppe hinuntergeworfen hast! Wenn du es nicht zum Flughafen schaffst, dann sei einfach im Bett, wenn Mama zur Tür hereinspaziert kommt. Du hast noch nicht gesagt, ich liebe dich.«
    »Peg. Ich liebe dich.«
    »Und noch eine letzte Frage – wer ist gestorben?«
    Ich ging zu Henry, Crumley und Constance zurück.
    »Meine Frau will nicht, daß ich mich in eurer Gesellschaft sehen lasse«, sagte ich.
    »Steig endlich ein«, stöhnte Crumley.
     

57
     
    Unterwegs Richtung Westen auf einem leeren Boulevard, auf dem nicht einmal der Geist eines Autos zu sehen war, ließen wir Henry erzählen, was alles in, unter, hinter und auf der anderen Seite der Mauer passiert war. Es war auf eine eigenartige Weise sehr angenehm, unsere Flucht von einem Blinden nacherzählt zu hören, der mit dem Kopf formulierte, mit seiner dunklen Nase die Luft tief einsog und mit den schwarzen Fingern im Wind malte. Crumley malte er dort hin, sich da, mich hier, und das Monster direkt hinter uns. Oder jedenfalls das Etwas, das wie ein gigantischer Klumpen Sauerteig hinter der Tür gelegen und uns den Fluchtweg versperrt hatte. So ein Quatsch! Aber wie Henry so anschaulich erzählte, fingen wir an zu frösteln und kurbelten die Fenster hoch. Sinnlos. Der Wagen hatte kein Dach.
    »Und deshalb«, verkündete Henry und nahm zum krönenden Abschluß die dunkle Sonnenbrille ab, »deshalb haben wir dich angerufen, die Verrückte von Venice, damit du herkommst und uns rettest.« Constance blickte nervös in den Rückspiegel. »Verflixt, wir fahren viel zu langsam.«
    Sie gab dem Wagen die Sporen. Unsere Köpfe ruckten nach hinten.
    Dann schloß Crumley die Haustür auf.
    »Also, macht es euch bequem!« grummelte er. »Wie spät ist es eigentlich?«
    »Sehr spät«, sagte Henry. »Der Nachtschattenjasmin gerät um diese Zeit immer außer Rand und Band.«
    »Ist das wahr?« rief Crumley.
    »Nein, aber es hört sich immer nett an.« Henry strahlte zu seinem unsichtbaren Publikum hinüber. »Hol das Bier.«
    Crumley reichte

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