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Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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füllten das Taufbecken mit Gaben wie beim Erntedankfest, unter den Augen des Priesters. Ich konnte in jener Nacht nicht beurteilen, ob er überhaupt sah, was wir da machten, er stand unter Schock. Ich befahl, die Sloane von dort wegzubringen. Eine Komparsin nahm sie mit.«
    »Nein«, sagte ich. »Ein Star.«
    »Tatsächlich? Sie gingen jedenfalls. Wir sammelten inzwischen die Scherben auf und verwischten die Spuren. So was ging damals viel einfacher als heute. Schließlich hatten die Studios die Stadt voll im Griff. Wir konnten eine Leiche vorweisen, die von Sloane, und eine zweite, die von Arbuthnot, in der Leichenhalle, das behaupteten wir jedenfalls, und Doc unterschrieb die Totenscheine. Niemand bestand darauf, alle Leichen in Augenschein zu nehmen. Den Leichenbeschauer zahlten wir aus, damit er ein Jahr lang krank feiern konnte. So haben wir die Sache geschaukelt.«
    Fritz stellte die Beine an, wiegte sein Weinglas und suchte meinen Blick.
    »Glücklicherweise, wegen der Studioparty, waren J. C, Doc Phillips, Groc, Manny und die anderen Jasager dort versammelt. Ich rief: ›Holt Wachleute, holt Autos, riegelt den Unfallort ab. Schaulustige kommen aus ihren Häusern auf die Straße? Verjagt sie mit Megaphonen.‹ Du mußt wissen, damals gab es erst wenige Häuser in dieser Straße, und die Tankstelle war geschlossen. Der Rest? Bürogebäude, in der Nacht dunkel und verlassen. Bis die große Masse aus den Wohnhäusern, die etwas weiter entfernt stehen, in ihren Schlafanzügen ankam, hatte ich das Rote Meer bereits geteilt, den Lazarus wieder begraben und jedem ungläubigen Thomas einen Auftrag erteilt, der ihn vom Schauplatz fernhielt! Herrlich, wundervoll, erstklassig! Noch ein Glas?«
    »Was ist das hier für ein Zeug?«
    »Napoleon-Brandy. Einhundert Jahre alt. Schmeckt dir garantiert nicht!«
    Er füllte mir einen Schluck ein. »Wenn du ein Gesicht ziehst, bringe ich dich um.«
    »Was geschah mit den Leichen?«
    »Eigentlich gab es ja nur einen Toten. Sloane. Arbuthnot war zerschmettert, großer Gott, ein blutiger Klumpen, aber er lebte noch. Ich tat, was ich konnte, Heß ihn auf die andere Straßenseite in das Beerdigungsinstitut schaffen; dann ging ich wieder weg. Arbuthnot starb kurz darauf. Sowohl Doc Phillips als auch Groc werkelten an ihm herum, um ihn zu retten, an jenem Ort, wo normalerweise Leichen einbalsamiert werden, und der in dieser Nacht zum Operationssaal umfunktioniert wurde. Ironie des Schickais, was? Zwei Tage später führte ich bei der Beerdigung Regie. Wieder ein voller Erfolg!«
    »Und Emily Sloane? Hollyhock House?«
    »Das letzte, was ich von ihr sah, war, wie sie über diesen leeren Platz mit den verwilderten Blumen zu diesem Privatsanatorium geführt wurde. Am nächsten Tag war sie tot. Mehr weiß ich nicht. Ich war lediglich der Regisseur, der erst alarmiert wurde, als die Hindenburg schon lichterloh brannte, so etwas wie ein Verkehrsmanager beim großen Erdbeben von San Francisco. Das ist mein ganzes Verdienst. Aber warum, warum nur, warum willst du das alles wissen?«
    Ich atmete tief durch, nahm einen kräftigen Schluck von dem Napoleon-Brandy, spürte, wie mir das Wasser heiß in die Augen stieg, und sagte dann: »Arbuthnot ist wieder da.«
    Fritz fuhr in die Höhe und schrie mich an: »Bist du übergeschnappt?«
    »Besser gesagt, sein Ebenbild«, sagte ich leise, beinahe piepsend. »Groc hat es angefertigt. Zum Spaß, wie er sagt. Oder wegen des Geldes. Er hat eine Puppe aus Pappmache und Wachs gebastelt. Damit hat er Manny und die anderen in Schrecken versetzt, womöglich mit den gleichen Tatsachen, die Ihnen auch bekannt sind, die Sie aber nie weitererzählt haben.«
    Fritz Wong stand auf und fing an, im Kreis herumzugehen; seine Stiefel hämmerten auf den Teppich ein. Dann wiegte er sich vor Maggie auf den Absätzen vor und zurück, schüttelte seinen prägnanten Kopf und fragte sie: »Hast du das alles gewußt?«
    »Unser Kleiner hier hat mal etwas erwähnt …«
    »Warum hast du mir nichts davon gesagt?«
    »Fritz, wenn du mitten in einem Film bist«, rechtfertigte sich Maggie, »dann willst du nichts hören, weder gute noch schlechte Nachrichten, von niemandem!«
    »Also das ging die ganze Zeit über vor?« sagte Fritz. »Doc Phillips war drei Tage hintereinander schon zum Mittagessen betrunken. Manny Leibers Stimme hörte sich an wie eine Langspielplatte, die mit doppelter Geschwindigkeit abgespielt wird. Und ich hatte vermutet, es liegt an mir, weil er sich immer

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