Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
Vom Netzwerk:
sagte Roy. Mit einem kurzen Schnauben langte er hinein.
    »Nicht!«
    »Pack mal mit an«, sagte er und faßte unter den Leichnam.
    »Um Gottes willen, schnell!«
    »Sieh mal einer an«, sagte Roy.
    Er hatte den Körper jetzt umfaßt und hob ihn an.
    »Gah!« entfuhr es mir. Denn der Körper kam so leicht hoch, als wäre es eine Schachtel Cornflakes.
    »Nein!«
    »Na klar.« Roy schüttelte den Leichnam. Er klapperte wie eine Vogelscheuche.
    »Das ist ja ein Ding! Sieh mal, da unten im Sarg! Bleigewichte, um ihn zu beschweren, sobald er oben auf der Leiter ist! Damit er beim Herunterfallen einen tüchtigen Schlag tut. Achtung! Dort kommen die Barracudas!«
    Roy schielte in das gleißende Mittagslicht hinaus und beobachtete, wie die noch entfernten Gestalten aus ihren Autos stiegen und sich um Manny versammelten.
    »Okay, dann los.«
    Roy ließ die Leiche fallen, knallte den Deckel wieder drauf und rannte davon.
    Ich folgte ihm quer durch ein Tohuwabohu aus Möbelstücken, Säulen und Fassaden.
    Nachdem wir uns in Sicherheit gebracht hatten, durch drei Dutzend Kulissentüren geflohen waren, hielten wir auf halber Höhe einer Renaissance-Freitreppe und schauten zurück, verrenkten uns die Hälse, um möglichst viel mitzubekommen. Ungefähr dreißig, vierzig Meter weiter hinten hatte Manny die Stelle erreicht, an der wir uns noch vor einer Minute aufgehalten hatten. Seine Stimme übertönte alle anderen. Ich nehme an, er befahl den anderen, das Maul zu halten. Denn dann herrschte Ruhe. Sie öffneten den Sarg, in dem der gefälschte Leichnam lag.
    Roy schaute mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, und ich sah ihn an, mit angehaltenem Atem.
    Drüben wurde es unruhig, es klang wie ein Aufschrei, dann lautes Schimpfen. Manny fluchte lauter als alle anderen. Dann hörten wir ein Gebrabbel, alle redeten durcheinander, Manny brüllte erneut, und dann das Knallen des Sargdeckels.
    Das war das Signal, das Roy und mich hinwegkatapultierte. So leise wie möglich stiegen wir die Treppe hinunter, rannten durch ein weiteres Dutzend Türen und gelangten auf der Rückseite der Tischlerei ins Freie.
    »Hörst du was?« fragte Roy und warf einen Blick zurück.
    »Nein. Du?«
    »Keinen Mucks. Aber die sind sicher an die Decke gegangen. Nicht nur einmal, gleich dreimal. Vor allem Manny! Mein Gott, was geht da nur vor sich? Warum soviel Gedöns um eine blöde Wachspuppe, die ich für zwei Dollar Latex, Wachs und Gips in einer halben Stunde zusammengepappt hätte!?«
    »Langsam, langsam, Roy! Wir wollen doch nicht, daß uns jemand davonlaufen sieht.«
    Roy machte langsamer, dafür Riesenschritte.
    »Um Himmels willen, Roy, wenn die wüßten, daß wir da drin waren!«
    »Sie wissen es aber nicht. Hey, das ist wirklich ein Mordsspaß!«
    Warum nur, fragte ich mich, warum um alles in der Welt hatte ich meinen besten Freund mit einer Leiche bekannt gemacht?
    Eine Minute später waren wir bei Roys Laurel-und-Hardy-Karre angekommen.
    Roy setzte sich hinters Steuer, grinste ein gottloses Grinsen und nahm den Himmel mit jeder einzelnen Wolke in sich auf.
    »Steig ein«, sagte er.
    Drinnen im Schuppen ertönten Stimmen, Aufruhr am Nachmittag. Irgendwo fluchte jemand Unverständliches. Ein anderer kritisierte ihn. Jemand sagte ›ja‹. Ein Haufen anderer sagte ›nein‹, und dann schoß die kleine Truppe aus dem Schuppen in das heiße Mittagslicht, wie ein Haufen wildgewordener Bienen.
    Einen Augenblick später glitt Manny Leibers Rolls-Royce wie ein lautloser Sturm vorüber.
    Im Wageninnern erkannte ich drei leichenblasse Jasager.
    Mannys Gesicht hingegen war tiefrot vor Wut.
    Er sah uns, als sein Rolls vorbeistürmte.
    Roy winkte ihm zu und schrie ihm ein fröhliches Hallo hinterher.
    »Roy!« gellte ich.
    Er lachte schallend. »Was ist bloß in mich gefahren!?« gluckste er und gab Gas.
    Ich schaute ihn an und wäre beinahe explodiert. Er sog den Wind in vollen Zügen ein und atmete genüßlich wieder aus.
    »Du spinnst!« sagte ich. »Hast du keine Nerven im Leib?«
    »Warum sollte ich mich vor Pappmache-Scherzen fürchten?« antwortete er freundlich. »Mensch, wenn Manny Fracksausen kriegt, geht’s mir richtig gut. Er hat schon so viel ausgeteilt, diesen Monat, jetzt hat zur Abwechslung mal er eine Bombe unter dem Arsch. Ist doch hervorragend!«
    »Warst du es?« fragte ich unvermittelt.
    Roy war verblüfft. »Fängst du schon wieder damit an? Warum sollte ich eine doofe Vogelscheuche zusammenschustern und nachts auf Leitern

Weitere Kostenlose Bücher