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Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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mit dem Kopf unterm Arm rannte in die Halle 10. Ein homosexueller Art Director wurde aus dem Männerklo geworfen. Drüben in Galiläa streikt Judas, er will mehr Silberlinge haben. Nein, nein, meiner Meinung nach nichts Lustiges, das wäre mir aufgefallen.«
    »Wie sieht’s mit Bestattungen aus?« fragte Roy. »Ist hier ein Leichenwagen vorbeigekommen?«
    »Bestattungen? Denken Sie, das wäre mir entgangen? Warten Sie!« Er ließ sein Monokel in Richtung Eingangstor blitzen und dann zur Rückseite des Studios. »Ich Blödmann. Ja, ich hatte schon gehofft, es sei deMilles Leichenwagen und wir hätten alle was zu feiern. Er fuhr in diese Richtung!«
    »Wird hier heute ein Begräbnis gefilmt?«
    »In jedem Atelier: miese Drehbücher, hysterische Schauspieler, englische Begräbnisregisseure, die mit ihren grobschlächtigen Pratzen sogar einem Walfisch zur Totgeburt verhelfen würden! Halloween war gestern, nicht wahr? Und heute ist der eigentliche Tag der Toten, in Mexiko, der erste November, warum sollte es da bei Maximus Films anders zugehen? Wo haben Sie bloß dieses abscheuliche Wrack von Auto aufgetrieben, Mr. Holdstrom?«
    »Das hier«, sagte Roy, einen von Edgar Kennedys slow bums aus einer Komödie von Hai Roach imitierend, »das hier ist das Auto, in dem Laurel und Hardy Fische verkauft haben, in dem legendären Zweiakter von 1930. Hat mich fünfzig Scheine gekostet, plus siebzig zum Lackieren. Treten Sie zurück, Sir!«
    Fritz Wong, dem Roys Auftreten sichtlich gefiel, machte einen Satz nach hinten. »In einer Stunde, Marsmensch. In der Kantine! Sie müssen kommen!«
    Wir tuckerten weiter durch die mittäglichen Menschenmassen. Roy führte uns um die nächste Ecke, nach Springfield, Illinois, Manhattan und zum Piccadilly.
    »Weißt du eigentlich, wohin du fährst?« fragte ich.
    »Mein lieber Mann, das Studio ist ein hervorragender Ort, um eine Leiche zu verstecken. Wer würde das je bemerken? Auf einem Gelände, das mit Abessiniern, Griechen und Chicago-Gangstern vollgestopft ist, könnte man mit einer vierzig Mann starken Blaskapelle durch sechs Dutzend Straßenschlachten durchmarschieren, ohne daß irgendwer mit der Wimper zucken würde! Die Leiche, alter Kumpel, muß direkt in unserer Nähe verborgen sein!«
    Und so zischten wir um die letzte Straßenecke und kamen nach Tombstone, Arizona.
    »Netter Name für eine Stadt«, bemerkte Roy.
     

10
     
    Träge brütete die Hitze über dem Gelände. Es war genau zwölf Uhr mittags. Tausende von Fußspuren umgaben uns im Staub zwischen den Außendekorationen. Einige der Abdrücke stammten noch von Tom Mix, Hoot Gibson und Ken Maynard.
    Der Wind wirbelte den heißen Staub auf, und Erinnerungen kamen in mir hoch. Natürlich waren viele Spuren nicht mehr erhalten, Staub bewahrt sie nicht ewig, und sogar John Waynes ausgreifende Schritte waren schon lange verweht, wie auch die Sandalenabdrücke des Matthäus, des Markus, des Lukas und des Johannes vom Ufer des Sees Genezareth verschwunden waren, knapp hundert Meter weiter drüben auf dem Set Nummer 12. Der Geruch von Pferden aber hing noch in der Luft, bald würde die Postkutsche mit der nächsten Ladung Drehbücher und mit einem neuen Schwung schieß wütiger Kuhtreiber eintreffen. Ich war nicht gerade derjenige, der sich die genüßliche Freude verwehrte, dort in der alten Laurel-und-Hardy-Klapperkiste zu sitzen und zur alten Bürgerkriegslokomotive hinüberzuschauen. Zweimal pro Jahr wurde ihr Kessel geschürt, und dann verwandelte sie sich in den 9 Uhr 10 aus Galveston oder in Lincolns Totenzug, der ihn nach Hause brachte, o Herr, nach Hause.
    Doch schließlich sagte ich: »Wieso bist du so sicher, daß die Leiche hier ist?«
    »Teufel nochmal.« Roy kickte gegen die Bodenbretter wie weiland Gary Cooper gegen getrocknete Kuhfladen. »Schau dir diese Gebäude genauer an.«
    Ich schaute.
    Hinter den falschen Fassaden hier in der Westernstadt befanden sich Fuhrparks mit Oldtimern, Schweißereien, Lagerschuppen für noch mehr falsche Fassaden und …
    »Die Tischlerei?« sagte ich.
    Roy nickte und tuckerte um die nächste Ecke, bevor er die Katze aus dem Sack ließ.
    »Hier werden die Särge gezimmert, also ist auch die Leiche hier!« Er kletterte aus der Kiste, ein Stück langer Lulatsch nach dem anderen. »Die haben den Sarg hierher zurückgebracht, weil er hier gezimmert wurde. Komm schon, bevor uns die Indianer überraschen!«
    Ich holte ihn in einer kühlen Grotte ein, in der Empiremöbel aus Napoleons Zeiten

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