Friedhof für Verrückte
Magenverstimmung? Suchen Sie sich was aus. Roy wurde gefeuert, und Sie und ich drehen jetzt sechs Jahre lang Die kleinen Strolche. Los, rein!«
Wir betraten Manny Leibers Büro.
Manny Leiber stand mit dem Rücken zu uns und präsentierte uns seinen Nacken.
Er stand mitten in einem rundum weißen Zimmer: weiße Wände, weißer Teppich, weiße Möbel, ein vollkommen weißer Schreibtisch, auf dem nichts außer einem weißen Telefon stand. Da hatte wohl einen Schneeblinden aus der Ausstattungsabteilung die Inspiration wie ein Schneesturm erwischt.
Hinter dem Schreibtisch hing ein großer Spiegel; man konnte sich, wenn man den Kopf umwandte, beim Arbeiten zusehen. In dem Zimmer gab es nur ein Fenster. Es ging auf die rückwärtige Mauer des Studiogeländes hinaus, die nicht weiter als zehn Meter entfernt war; ein Panoramablick über den angrenzenden Friedhof. Ich konnte meine Augen kaum davon losreißen.
Doch Manny Leiber räusperte sich. Ohne sich umzudrehen, sagte er: »Ist er schon weg?«
Ich nickte wortlos in Richtung seiner verkrampften Schultern.
Manny verstand und atmete hörbar aus. »Ich möchte seinen Namen nie mehr hören. Er hat niemals existiert.«
Ich wartete darauf, daß er sich umdrehte und lauernd um mich herumging, um seine aufgestauten Gefühle abzureagieren. Sein Gesicht war ein Konglomerat nervöser Ticks. Seine Augen bewegten sich nicht im Einklang mit den Augenbrauen, die Augenbrauen nicht mit dem Mund oder mit dem Kopf, der auf dem Hals wilde Verrenkungen veranstaltete. Wie er so auf und ab marschierte, kam er mir auf gefährliche Weise außer Kontrolle geraten vor. Er konnte jeden Augenblick in seine Einzelteile zerbersten. Dann bemerkte er, daß Fritz Wong uns beide beobachtete. Er stellte sich neben Fritz, als wolle er ihn zu einem Wutausbruch provozieren.
Der weise Fritz tat das einzig Richtige, eine Handlung, die ich schon öfters bei ihm beobachtet hatte, wenn ihm die Welt zu sehr auf den Leib rückte. Er nahm sein Monokel ab und ließ es in die Brusttasche gleiten. Das wirkte wie eine wohlüberlegte Zerstreuung der Aufmerksamkeit, wie eine subtile Zurückweisung. Zusammen mit dem Monokel steckte er Manny in die Tasche.
Manny Leiber redete ununterbrochen und ging auf und ab. Halb flüsternd wandte ich ein: »Schön und gut: aber was machen wir mit dem Meteorkrater?«
Fritz warnte mich durch das Zucken seiner Hand: Halt die Klappe !
»So!« Manny tat, als habe er nichts gehört. »Unser nächstes Problem, unser Hauptproblem ist … wir haben noch keinen Schluß für Christus und Galiläa .«
»Würden Sie das bitte wiederholen?« bat Fritz mit staubtrockenem Ernst.
»Keinen Schluß!« entfuhr es mir. »Haben Sie es schon mal mit der Bibel probiert?«
»Wir haben genug Bibeln hier! Aber unser Drehbuchautor hält sie immer falsch rum. Ich habe Ihre Kurzgeschichte in Esquire gelesen. Es klang wie Salomo.«
»Hiob«, murmelte ich.
»Ruhe! Was wir brauchen, ist …«
»Matthäus, Markus, Lukas und mich !«
Manny Leiber schnaubte. »Seit wann können es sich Schriftsteller am Beginn ihrer Karriere leisten, den größten Job des Jahrhunderts abzulehnen? Wir brauchen das Ding lieber gestern als heute, damit Fritz endlich wieder zu drehen anfangen kann. Schreiben Sie was Gutes, dann wird Ihnen eines Tages all das gehören!«
Er machte eine weit ausholende Bewegung mit dem Arm.
Mein Blick fiel nach draußen, auf den Friedhof. Es war ein strahlender Tag, doch über den Grabsteinen ging unsichtbarer Regen nieder.
»O du lieber Gott«, flüsterte ich, »hoffentlich nicht.«
Das genügte. Manny Leiber wurde blaß. Er war wieder in Halle 13, im Dunkeln, mit mir und Roy und dem Monster.
Ohne ein Wort lief er zur Toilette. Die Tür knallte ins Schloß.
Ich wechselte Blicke mit Fritz. Manny übergab sich hinter der Tür.
»Herrschaft nochmal«, stöhnte Fritz. »Ich hätte doch auf Göring hören sollen!«
Einen Augenblick später kam Manny wieder herausgewankt, schaute sich um, als sei er verwundert darüber, daß das Zimmer noch immer schwankte, schaffte es bis zum Telefon, wählte, blökte: »Sofort zu mir!« hinein und stürzte zur Tür.
Ich hielt ihn zurück.
»Wegen Halle 13 …«
Manny hielt die Hand auf die Lippen gepreßt, als könne ihm wieder schlecht werden. Seine Augen weiteten sich.
»Ich weiß, daß Sie das Atelier räumen lassen«, sagte ich rasch. »Aber ich habe noch einen Haufen persönlichen Kram dort. Und ich muß den restlichen Tag mit Fritz über Galiläa
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