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Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Blick auf die Kiste in meinem Schoß, nahm meine Hand, drückte den Wodka hinein und führte ihn an meine Lippen.
    »Trink einen Schluck«, sagte er ruhig, »und dann legen wir dich ins Bett. Morgen früh reden wir weiter. Wie hört sich das an?«
    »Du mußt es verstecken«, sagte ich. »Wenn jemand erfährt, daß es hier ist, könnten wir beide auf Nimmerwiedersehen verschwinden.«
    »Was ist das?«
    »Der Tod, glaube ich.«
    Crumley nahm die Pappkiste in die Hand. Sie raschelte und krabbelte und flüsterte.
    Crumley hob den Deckel ab und spähte hinein. Aus der Kiste starrte ihn ein seltsames Ding aus Pappmache an.
    »Das ist also der ehemalige Boss der Maximus-Studios, wie ich vermute.«
    »Stimmt«, sagte ich.
    Crumley betrachtete sich das Gesicht noch eine kleine Weile und nickte bedächtig. »Der Tod also, na schön.«
    Er machte den Deckel wieder zu. Das Gewicht in der Schachtel krabbelte, und das Rascheln klang wie ein geflüstertes »schlaf«.
    Nein, dachte ich, dazu wirst du mich nicht bringen!
     

27
     
    Wir redeten am nächsten Morgen weiter.
     

28
     
    Gegen Mittag setzte mich Crumley vor Roys Wohnblock, Ecke Western Street Vierundfünfzigste, ab. Besorgt betrachtete er mein Gesicht.
    »Wie heißt du?«
    »Meinen Namen werde ich nicht preisgeben.«
    »Soll ich hier warten?«
    »Du fährst weiter. Je eher du dich auf dem Studiogelände umsiehst, desto besser. Wir sollten sowieso nicht zusammen gesehen werden. Hast du meine Liste mit den wichtigen Punkten und den Wegweiser?«
    »Hier drin.« Crumley tippte an seine Stirn.
    »Also, in einer Stunde. Im Haus meiner Großmutter. Oben im ersten Stock.«
    »Die gute alte Großmama.«
    »Crumley?«
    »Was?«
    »Ich liebe dich.«
    »Dafür kommst du auch nicht in den Himmel.«
    »Das nicht«, sagte ich. »Aber es hat mir geholfen, die Nacht zu überstehen.«
    »Dummes Zeug«, sagte Crumley und fuhr davon.
    Ich betrat das Haus.
    Mein Gefühl letzte Nacht hatte mich nicht betrogen.
    Wenn Roys Modellstädte verwüstet, sein Monster zu blutigen Lehmklumpen zerhauen worden waren …
    Im Hausflur roch es nach dem Parfüm des Doktors …
    Die Tür zu Roys Wohnung stand sperrangelweit offen.
    Seine Wohnung sah aus wie nach einer Plünderung.
    »Großer Gott«, flüsterte ich. Ich stand in seiner Behausung und blickte mich um. »Sowjetrußland. Die Geschichte wird neu geschrieben.«
    Roy war zur Unperson geworden. Heute nacht würde man in allen Bibliotheken Bücher auseinandernehmen und neu zusammenkleben, auf daß der Name Roy Holdstrom für alle Zeiten getilgt war, wie ein trauriges Gerücht, an das sich niemand mehr erinnert, ein Hirngespinst, weiter nichts.
    Sämtliche Bücher waren verschwunden, alle Bilder, der Schreibtisch, kein einziges Blatt mehr im Papierkorb. Sogar das Klopapier hatten sie entfernt. Das Spiegelschränkchen war putzblank. Keine Schuhe unter dem Bett. Kein Bett. Keine Schreibmaschine. Leere Schränke. Kein Saurier. Keine Saurierzeichnungen.
    Die Wohnung war vor einigen Stunden gestaubsaugt, geschrubbt und danach mit einem hochwertigen Bohnerwachs gewienert worden.
    Ein Sturm der Wut war über dem Atelier niedergegangen und hatte Roys Babylon, sein Assyrien und sein Abu Simbel geschleift.
    Und hier hatte ein Sturm der Reinlichkeit das letzte Stäubchen Erinnerung aufgesaugt, den allerletzten Hauch Leben.
    »Großer Gott, das ist furchtbar, nicht?« Die Stimme ertönte hinter mir.
    Auf der Schwelle stand ein junger Mann. Er trug einen fleckigen Malerkittel, und seine Finger waren ebenso wie die linke Gesichtshälfte mit Farbe verschmiert. Sein Haar sah ungekämmt aus, und in seinen Augen flackerte eine Wildheit, die man sonst nur bei Tieren sieht – und bei Kreaturen, die im Dunkeln aktiv sind, die nur gelegentlich ans Tageslicht kommen.
    »Bleiben Sie nicht länger hier. Womöglich kommen die wieder.«
    »Moment mal«, sagte ich. »Ich kenne Sie doch. Roys Freund … Tom …«
    »Shipway. Gehen wir. Die haben sich wie die Verrückten aufgeführt. Kommen Sie.«
    Ich verließ hinter Tom Shipway die leere Wohnung.
    Er sperrte seine eigene Tür mit zwei verschiedenen Schlüsseln auf. »Auf die Plätze. Fertig? Los!«
    Ich machte einen Satz hinein.
    Er knallte die Tür zu und lehnte sich dagegen. »Die Vermieterin! Sie darf das hier nicht sehen!«
    »Sehen?« Ich blickte mich um.
    Wir befanden uns in Kapitän Nemos Unterseeboot, mit Kabinen und Maschinenräumen.
    »Großer Gott!« entfuhr es mir.
    Tom Shipway strahlte. »Klasse, was?«
    »Klasse,

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