Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
Vom Netzwerk:
Ufer wurden sie einer bleichen Erscheinung gewahr. Als sie näher kamen, erblickten sie einen Mann, der vor einem Kohlenfeuer mit Fischen stand. Sie sprachen ihn an und wußten, daß es Christus war, der ihnen ein Zeichen gab und sprach: ›Nehmet von diesem Fisch und gebet Euren Brüdern zu essen. Nehmet meine Worte und ziehet durch die Städte und predigt allda das Vergeben der Sünden.‹«
    »Nicht zu fassen«, hauchte ich.
    »Erbaulich, was?« sagte J. C. »Erst das Vorletzte Abendmahl, das da-Vinci-Abendmahl, und hinterher das Allerallerletzte Abendmahl mit den auf Holzkohle gebratenen Fischen, am Ufer des See Tiberias, wonach Christus von ihnen ging, um für alle Zeit in ihrem Blute, in ihrem Geiste und in ihren Seelen bei ihnen zu sein. Finis.«
    J. C. verbeugte sich und fügte dann hinzu: »Laß dich vom Evangelium inspirieren, insbesondere Johannes! Nicht an mir ist es zu geben, sondern an Euch zu empfangen! Und jetzt raus, bevor ich meinen Segen rückgängig mache!«
    » Haben Sie mich denn gesegnet?«
    »Die ganze Zeit über, als wir uns unterhielten. Die ganze Zeit über. Geh jetzt.«
     

31
     
    Ich streckte meinen Kopf in den Vorführraum 4 und fragte: »Wo ist Judas?«
    »Das ist die Parole!« rief Fritz Wong. »Hier sind drei Martinis. Trinken Sie!«
    »Ich hasse Martinis. Außerdem, Miss Botwin, muß ich zuerst folgendes loswerden.«
    »Nennen Sie mich Maggie«, sagte sie leicht amüsiert. Die Kamera lag in ihrem Schoß.
    »Ich habe, seit ich denken kann, von Ihnen gehört, ich bewundere Sie seit Jahren. Ich muß Ihnen einfach sagen, daß ich sehr glücklich darüber bin, Gelegenheit zu haben, mit Ihnen zu arbeiten –«
    »Schon gut, schon gut«, sagte sie freundlich. »Aber Sie täuschen sich. Ich bin kein Genie. Ich bin … wie heißen doch gleich diese Viecher, die über die Teiche huschen und nach Insekten suchen?«
    »Wasserläufer?«
    »Ein Wasserläufer! Eigentlich müßten die Dinger doch untergehen, aber sie gleiten auf einem dünnen Film auf der Wasseroberfläche. Eine Sache der Oberflächenspannung. Sie verteilen ihr Gewicht, strecken Armchen und Beinchen aus und machen den Film nicht kaputt. Also, wenn das nicht ich bin. Ich verteile mein Gewicht, strecke alle viere von mir und versuche den Film, auf dem ich herumschlittere, nicht kaputtzumachen. Bis jetzt bin ich noch nicht untergegangen. Aber ich bin nicht vollkommen, und es ist auch kein Wunder, bloß stinknormales Glück, von Anfang an. Trotzdem vielen Dank für Ihr Kompliment, junger Mann. Jetzt aber das Kinn in die Höhe und getan, was Fritz befiehlt. Die Martinis. Sie werden gleich sehen, daß ich bei dem, was gleich auf Sie zukommt, keine Wunder vollbracht habe.« Sie wandte mir ihr feines Profil zu und rief nach hinten zur Vorführkabine: »Jimmy? Jetzt!«
    Die Lichter verloschen, die Leinwand raschelte, der Vorhang teilte sich.
    Über die Leinwand flimmerte der Rohschnitt, mit einem teilweise fertiggestellten Soundtrack von Miklos Rozsa. Der gefiel mir sehr gut.
    Während der Film weiter und weiter abgespult wurde, warf ich Fritz und Maggie verstohlene Blicke zu. Sie sahen aus, als säßen sie auf einem bockenden Pferd. Mir erging es nicht anders. Eine Flutwelle von Bildern drückte mich tief in meinen Sessel hinein.
    Meine Hand griff nach einem der Martinis.
    »Junge, Junge«, flüsterte Fritz.
    Als der Film zu Ende war und die Lichter wieder angingen, saßen wir erst einmal schweigend da.
    »Wie kommt es«, sagte ich schließlich, »daß Sie so viel von dem neuen Material in der Dämmerung oder nachts gedreht haben?«
    »Ich kann die Realität nicht ausstehen.« Fritz* Monokel funkelte, als er auf die blanke Leinwand starrte. »Im Drehplan ist jetzt die Hälfte des Films bei Sonnenuntergang ausgewiesen. Zu diesem Zeitpunkt ist dem Tag das Rückgrat gebrochen. Wenn die Sonne untergeht, bin ich erlöst; wieder einen Tag überlebt! Ich arbeite jede Nacht bis zwei Uhr, ohne wirkliche Leute zu sehen, ohne Tageslicht. Vor zwei Jahren ließ ich mir Kontaktlinsen anfertigen. Ich habe sie zum Fenster hinausgeworfen! Warum? Ich konnte die Poren in der Haut der Leute sehen, auch die in meinem Gesicht! Mondkrater. Pockennarben. Zum Teufel! Sehen Sie sich meine letzten Filme an. Kein einziger Mensch im Sonnenlicht. Die Mitternachtsfrau. Endlose Dunkelheit. Der Nachmitternachtsmörder. Tod im Morgengrauen. Und nun, mein Junge, was machen wir mit diesem gottverdammten Galiläa-Flop? Christus im Garten, Cäsar oben im Baum ?!«
    Maggie

Weitere Kostenlose Bücher