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Friedhof für Verrückte

Friedhof für Verrückte

Titel: Friedhof für Verrückte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Roadster zurück, in dem Constance das Wetter genoß und die Hollywood Hills betrachtete.
    »Um was ging es denn eben?« wollte sie wissen.
    »Ein Bekloppter: Clarence. Der andere: Roy.« Ich rutschte auf den Beifahrersitz. »Na schön. Bring mich bitte in die Beklopptenfabrik.«
    Constance raste bis vor die Tore des Studios.
    »Hilfe«, hauchte sie und starrte nach oben. »Ich hasse Krankenhäuser.«
    »Krankenhäuser?«
    »Die Zimmer dort drin sind voll mit undiagnostizierten Fällen. In dieser Klitsche sind Tausende von Babies gezeugt oder geboren worden. Ein behagliches Heim, wo den Blutlosen Transfusionen der Gier verpaßt werden. Siehst du das Wappen dort oben? Ein brüllender Löwe mit gebrochenem Rückgrat. Daneben: ein blinder Ziegenbock ohne Eier. Daneben: Salomon, wie er ein lebendiges Baby in der Mitte durchschneidet. Herzlich willkommen in der Green-Glades-Leichenhalle!«
    Mir lief es eiskalt den Rücken herunter.
    Mit meinem Ausweis kamen wir durch das Tor. Kein Konfetti. Keine Blaskapellen.
    »Du hättest dem Bullen sagen sollen, wer du bist!«
    »Hast du ihm ins Gesicht gesehen? Der ist an dem Tag geboren, an dem ich aus dem Studio in mein Kloster geflüchtet bin. Du mußt nur ›Rattigan‹ sagen, schon verebbt die Tonspur. Sieh mal da!«
    Sie zeigte auf die Gruft der Filme, an der wir gerade vorbeifuhren. »Mein Grab! Zwanzig Rollen in einer Krypta! Filme, die in Pasadena durchfielen, gleich mit dem Leichenschein hierher zurückbefördert. Also!«
    Wir kamen mitten in Green Town, Illinois, zum Stehen.
    Ich sprang die Vordertreppe hinauf und machte eine einladende Geste: »Das Haus meiner Großeltern. Willkommen!«
    Constance erlaubte mir, sie die Stufen hinaufzuziehen, und setzte sich in die Hollywoodschaukel, hin und her schwingend.
    »Mein Gott«, stöhnte sie, »ich bin schon jahrelang nicht mehr in so einem Ding gesessen! Du elender Strolch«, flüsterte sie, »was machst du nur mit mir alter Frau?«
    »Sieh mal einer an, ich wußte nicht, daß Krokodile wirklich weinen.«
    Sie blickte mich streng an. »Du bist ein ernster Fall. Glaubst du denn den ganzen Mist, den du zusammenschreibst? Mars im Jahre 2001. Illinois 1928?«
    »Klar.«
    »Herrje. Wie glücklich mußt du sein in deiner Haut, so gottverdammt naiv. Bleib so, wie du bist.« Constance nahm meine Hand. »Wir blöden Schwarzseher, Zyniker und Monster lachen zwar, aber wir brauchen euch. Sonst würde Merlin nämlich sterben, oder die Zimmerleute würden die Tafel für Artus’ Runde krumm und schief zusammenleimen, oder der Typ, der die Rüstungen ölt, würde auf einmal Katzenpisse nehmen. Du darfst niemals sterben. Versprochen?«
    Drinnen klingelte das Telefon.
    Wir sprangen beide auf. Ich rannte los und riß den Hörer von der Gabel. »Ja?« Ich wartete. »Hallo?«
    Doch es war nichts zu hören, nur das Rauschen des Windes, wie in großer Höhe. Das Fleisch in meinem Nacken kroch wie eine Raupe zuerst nach oben und dann wieder hinunter.
    »Roy?«
    Im Hörer wehte der Wind, und irgendwo ächzte Gebälk.
    Instinktiv blickte ich in Richtung Himmel.
    In einhundert Metern Entfernung: Notre Dame, mit ihren Zwillingtürmen, den wasserspeienden Dämonen, den Heiligenstatuen.
    Oben auf den Türmen der Kathedrale blies der Wind. Staub wurde hoch aufgewirbelt, eine rote Flagge signalisierte Bauarbeiten.
    »Rufst du aus dem Studio an?« fragte ich. »Bist du dort, wo ich dich vermute?«
    Weit oben auf einem der Türme glaubte ich einen Dämon zu erkennen, der … sich bewegte.
    Oh, Roy, dachte ich, wenn du das bist, vergiß die Rache. Komm runter.
    Doch dann hörte der Wind auf, und auch das Atmen. Die Verbindung war tot.
    Ich ließ den Hörer fallen und starrte hinaus auf die Türme.
    Constance betrachtete sie sich ebenfalls. Der Wind wirbelte Wolken von Staub und Bauschutt auf.
    »Okay, genug mit dem Unfug!«
    Constance ging auf die Veranda zurück und blickte zu Notre Dame empor.
    »Was zum Teufel geht hier vor sich!« brüllte sie.
    »Schsch!« machte ich.
     

37
     
    Fritz brüllte inmitten eines brodelnden Haufens von Statisten herum, kommandierte und stampfte vor Wut im Staub mit dem Fuß auf. Er hatte sogar eine Reitgerte unter dem Arm, doch ich habe nie gesehen, daß er sie benutzt hätte. Die Kameras – drei an der Zahl – waren so gut wie bereit, und die Regieassistenten gruppierten die Kleindarsteller ein letztes Mal entlang der engen Gasse, die auf den Platz mündete, auf dem sich Jesus Christus demnächst zeigen müßte, vor dem

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