Friedhof New York
Dann glitt die Waffe tiefer, und die Spitze zeigte auf den Träumenden.
Der Tod kam näher.
Es gab nur ein Ziel für ihn. Er war gekommen, um sich die Lebenden zu holen. Er wollte sie hineinzerren in sein Reich, aus dem es keine Rückkehr gab.
In die Schwärze, in das Grauen, in das Reich ohne Licht und Sonne, in die absolute Finsternis.
Auch jetzt hörte Abe kein Geräusch. Nicht von den knöchernen Füßen der Gestalt, dafür aber das leise Schleifen, als er die Sense bewegte und sie in die Höhe drückte.
Der Umhang bewegte sich, bildete Falten, die an den Armen in die Tiefe rutschten. Es waren lange, gelbe Knochen, die in skelettierten Händen endeten. Sie hielten den langen Griff der Sense fest, dann aber zuckten die Arme hoch, drehten sich, und das blanke Sensenblatt machte die Bewegung mit.
Für den Träumenden wurde es gefährlich, denn das Blatt neigte sich ihm zu. Zu seinem Kopf hin bildete es einen schrägen Winkel, und wieder kam es ihm vor wie eine lange, gekrümmte, dunkle Spiegelscherbe.
Er stand auf der Liste. Der Tod ließ sich nicht aufhalten. Er trug die Sense nicht nur, um einzuschüchtern. Er würde sie auch benutzen, denn er wollte vernichten.
Dann wischte sie durch die Luft. Abe glaubte sogar, ein pfeifendes Geräusch zu hören, war sich jedoch nicht sicher, und es spielte auch keine Rolle mehr.
Das Sensenblatt traf.
Es war scharf, unheimlich scharf. Es kannte kein Pardon, es tötete, es vernichtete. Auch Menschen!
Abe Douglas spürte nichts. Nicht einmal den Ansatz des Schnittes. Aber er sah die Folgen.
Neben dem Körper tickte etwas auf. Fast vergleichbar mit einem dunklen Ball. Doch ein Ball hatte weder Augen, Mund noch Nase. Es war ein Kopf, sein Kopf.
Und aus aufgerissenen Augen starrte er gegen seinen Körper!
***
Die Spitze des Alptraums war erreicht. Es gab nichts mehr, was noch schlimmer sein konnte. Dieser neben dem Körper liegende Schädel konnte sehen, schmecken, hören und… Er stöhnte…
Zugleich mit der Zunge drang das Geräusch aus dem offenen Mund.
Und in einem Zimmer auf dem Bett liegend bewegte sich zuckend ein Körper. Unter dem Schädel aber breitete sich das Blut wie eine dunkle Lache aus Sirup aus.
Es sah aus wie ein kleiner See, in dessen Mitte der Kopfstumpf stand.
Die Augen bewegten sich. Sie schielten schräg in die Höhe, denn sie wollten den Torso und den Tod gleichzeitig sehen. Hoch ragte die Gestalt des Sensenmanns über den Kopf hinweg. Unter der Kapuze schimmerten die bleichen Knochen. Düstere, leere Augenhöhlen und ein schwarzes Loch als Maul, verbreiteten eine Aura des Schreckens. Der Kopf sah auch, daß sich der Sensenmann bewegte. Er senkte seinen mächtigen Körper nach unten. Wieder klaffte der Umhang auf. Ein beinerner Körper war zu sehen, und die einzelnen Knochenteile glänzten, als wären sie mit einer neutralen Farbe bestrichen worden.
In einer tief gebückten Haltung blieb der Sensenmann stehen. Sekunden verstrichen, bevor er seine Arme von einer Seite zur anderen pendelnd bewegte, was sich auch auf die große Sense übertrug, die dicht über den Boden hinwegfuhr und ebenso dicht an den Augen des Schädels vorbei, so daß dieser den Luftzug spürte.
Würde die Spitze ihn packen, sich im Kopf festhaken und in die Höhe schleudern?
Der Träumende rechnete damit und spürte den Druck an der linken Seite.
Genau dort hatte die Sense den Kopf erwischt. Sie war tief in die Wange gedrungen. Dann der Ruck.
Im nächsten Augenblick schwebte der Kopf, noch an der Sense hängend, über dem Boden.
Und wieder begann der Sensenmann mit seiner Pendelbewegung. Er spielte mit dem Menschenkopf, und es bereitete ihm Freude, denn er war derjenige, der hier den Ton angab.
Hin und her schwang die Waffe.
Der Kopf blieb auf der Sense hängen.
Dreimal ging es hin und her, bis die Pendelbewegung mitten im Schwung abriß und die Waffe gestoppt wurde.
Nicht so der Kopf!
Er löste sich von der Spitze. Flog hoch in die düstere Luft wie ein hart geworfener Ball, drehte sich dabei um die eigene Achse und wirbelte auf das Wasser zu, wo er noch nicht sofort in die Tiefe fiel, sondern die sich drehenden und bewegenden Augen mitbekamen, wie sich eine Bewegung dicht unter der Wasseroberfläche verteilte und diese dann durchbrach.
Gestalten schnellten hoch. Unheimliche Todesboten, schreckliche Geister mit bleichen Gesichtern und schwarzen Umhängen. Sie schrien dem Schädel etwas entgegen, streckten ihre bleichen Hände aus, um nach ihm zu
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