Friedhof New York
dieser Gegend und in diesen Häusern, wo Menschen lebten, die teilweise keine Arbeit hatten und dem amerikanischen Traum vom Glück noch immer hinterherlaufen mußten.
Unten im Flur standen zwei Frauen zusammen und tratschten. Sie schauten Tom scheu an, obwohl dieser freundlich gegrüßt hatte.
Eigentlich hatte er sich darauf gefreut, das Haus verlassen zu können, doch jetzt, als er auf der Straße stand, da überkam ihn wieder die unbestimmte Furcht vor der Zukunft.
Sengara dachte darüber nach, woran es liegen konnte. Tatsächlich nur an dieser grauen Umgebung und an dem bedrückenden Himmel, der selbst durch den hier stärker wehenden Wind nicht freigelegt worden war? Er hatte feuchte Handflächen bekommen und rieb sie an seiner Hose ab. Zwischen zwei Fenstern stand er und beobachtete.
Es gab nichts, was ihm besonders aufgefallen wäre. Der Betrieb hier lief normal ab. Gegen Ende des Nachmittags hatte er sogar noch zugenommen. In den kleinen Geschäften standen die Käufer, und er dachte auch daran, daß viele dieser Ladenbesitzer sich mit allem möglichen bewaffnet hatten, um sich vor den immer häufiger vorkommenden Überfällen zu schützen. Tom wollte nicht länger auf einem Fleck stehen. Er hätte damit auch zuviel Aufmerksamkeit erregt, deshalb schlenderte er straßenaufwärts, er wollte nicht unbedingt in die Nähe der Piers gelangen, wo das Gelände mehr als unübersichtlich war.
An einer Heißmangel kam er vorbei. Aus einem vergitterten Bodenfenster strömte Dampf, der ihn umwölkte. Stimmern hörte er aus dem Keller. Dazwischen ein hartes Lachen.
Er dachte an Jericho und Chato.
Vor allen Dingen an seinen Freund, der versprochen hatte, so schnell wie möglich zurückzukehren. Er hatte von zwei Freunden geredet, deren Aura er bei einer meditativen Sitzung in der Nacht gespürt hatte. Mit ihnen hatte er sich treffen wollen, und Tom fragte sich, ob dieses Experiment gelang.
Auf seinem Körper schienen zahlreiche, elektrisch geladene Zellen zu liegen. Er war angespannt und fühlte sich gleichzeitig müde. In der letzten Nacht hatte er nicht geschlafen, er war auch nicht an seine Arbeitsstelle zurückgekehrt, denn er wußte genau, daß ihn Jericho durch seine Diener indirekt erwarten würde.
Darauf konnte er verzichten.
Tom schlich weiter.
Menschen schauten ihn an, er wich den Blicken aus. Ein junges Mädchen kicherte ihm aus einem Hauseingang entgegen. Sie trug ein rotes Oberteil ohne Ärmel, das den Bauch freiließ, und eine sehr enge Hose. In der rechten Hand hielt sie eine halbvolle Whiskyflasche.
Vor einem Laden, in dem griechische Waren verkauft wurden, saßen drei Männer und spielten Karten. Sie hockten auf Gemüsekisten. Der Besitzer schaute ihnen in der offenen Tür stehend zu und strich permanent über seinen gebogenen Oberlippenbart.
Alles war normal.
Auch der Verkehr auf der Straße. Die Autos schoben sich nur langsam voran, weil die Fahrer auf Schlaglöcher achten mußten, die der Fahrbahn ein Muster gaben.
Eine Lücke tat sich zwischen zwei Häusern auf. Sie war nicht breit und auch nicht lang, aber sie war dennoch genutzt worden. Leider für Abfall, denn irgendwer hatte hier die Reste ausgekippt, die er woanders nicht loswurde und so ein Paradies für Fliegen und Ratten geschaffen.
Tom Sengara blieb stehen. Er schaute durch die schmale Einfahrt zu deren Ende hin.
Dahinter lag ein Platz. Was sich dort stapelte, konnte er nicht erkennen.
Dafür sah er den Schatten eines Mannes, der sich von der rechten Seite her in die helle Lücke hineinschob.
Tom rührte sich nicht. Er hatte den Schatten gesehen, ihn nicht identifizieren können, aber er merkte sofort, daß von ihm eine gewisse Bedrohung ausging, die auch durch die Länge der Gasse nicht gestoppt werden konnte.
Sie war da, sie ließ sich nicht wegleugnen, und der Schatten drehte sich so herum, daß Tom gegen ihn schauen konnte.
Es war ein Mann.
Ein großer Mann. Er trug schwarze Kleidung und einen schwarzen Hut.
Die Krempe hatte er weit nach vorn gebogen, damit von seinem Gesicht nicht mehr zu erkennen war als nur ein heller Fleck.
Plötzlich war bei Tom die Angst da. Sie hing unmittelbar mit der Gestalt zusammen, und ihn überkam das gleiche Gefühl wie einen Träumer, der unter Jerichos Einfluß stand.
Wieso Jericho?
Das war Jericho!
Der böse, dunkle Mann. Der Unheilbringer aus einer fremden und völlig anderen Welt. Ein grauenvoller Todesbote, der sich in seiner dunklen Kleidung versteckte, um sein wahres
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