Friedhof New York
vorstellen, daß du bei mir sicherer bist, als draußen.«
Tom Sengara schaute sie an. »Nein«, sagte er dann leise und schüttelte den Kopf. »Nein, Elisa, so leid es mir tut und so gern ich dir zustimmen möchte, aber ich bin hier in deiner Wohnung nicht sicherer. Ich bin nirgendwo sicher. Man kann vor diesem Feind einfach nicht sicher sein. Für ihn existieren weder Grenzen noch Mauern. Er stört sich auch nicht an Zeiten oder Dimensionen. Er ist einfach da, und wo er hinwill, da kommt er auch hin.«
»Dann muß er übermenschlich sein.«
»Ja, das ist er.« Tom nickte. »Er ist mehr als ein Übermensch. Er ist etwas, das ich nicht erklären kann.«
»Dann möchte ich auch nicht weiter fragen.«
Tom nickte. »Tu das, frag nicht weiter. Es ist besser so, denn ich will nicht, daß auch du in Gefahr gerätst. Es reicht aus, wenn sich ihm zwei Männer stellen und versuchen, ihn abzuwehren und seinen Einfluß zu begrenzen. Ich möchte dich nur bitten, Vertrauen zu uns zu haben, Elisa.«
»Habe ich euch das nicht gezeigt, als ich Chato und dich aufnahm?«
Tom Sengara nickte. Dann beugte er sich plötzlich nach vorn und umarmte die Frau.
Er drückte sie an sich, als wäre sie seine Mutter oder Großmutter, und als er sie wieder losließ, da war sein Gesicht puterrot angelaufen.
»Entschuldige, aber…«
»Nein, Junge.« Sie faßte nach seiner Hand und hielt sie fest. »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Was du getan hast, ist menschlich, und ich möchte dich auch nicht in deinen Aktivitäten beeinflussen. Du sollst tun, was du tun mußt.«
»Danke.«
»Wenn du den Wunsch hast, meine Wohnung zu verlassen, dann bitte. Ich werde dich nicht halten.«
»Es ist auch nur für kurze Zeit.«
»Dann geh.«
Tom überlegte noch. Schließlich nickte er und machte sich auf den Weg zur Tür. »Ich… ich…«
Sie lächelte ihn an und hatte sich dabei umgedreht. »Keine Erklärungen, Tom.«
»Danke.« Er ging, blieb im Flur stehen und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Erst jetzt stellte er fest, daß er außer Atem war, und in seinen Augen brannte es, als wäre eine leichte Säure hineingeträufelt worden.
Sie meint es so gut mit uns, dachte er. Und sie weiß nicht, auf was sie sich eingelassen hat. Wir müssen uns wie Hundesöhne fühlen, daß wir diese Frau mit hineingezogen haben. Er machte sich Vorwürfe, er litt darunter, aber Chato hatte ihm eingeschärft, Mrs. Markham nichts zu sagen. Es hätte eine zu große Gefahr für sie bedeuten können.
Tom stand in der dritten Etage. Nachdem er sich einigermaßen beruhigt hatte, schaute und horchte er in die liefe der anderen Etagen hinein. Im Haus war es nicht ruhig. Unruhe gab es immer, dafür sorgten schon die zahlreichen Bewohner und deren Kinder. Aber auch Jugendliche und Halbwüchsige lärmten in den Treppenhäusern. In der unteren Etage hockten einige Kids zusammen und flüsterten miteinander, als würden sie etwas Schlimmes aushecken.
Als er an ihnen vorbei wollte, stand ein Junge auf. Er war höchstens sechzehn, hatte einen verschlagenen Blick und trug Ringe mit spitzen, nach oben gerichteten Nägeln an der rechten Hand. In seinen Augen funkelte es. Die Haare waren gebleicht worden.
»Ich möchte vorbei.«
»Kannst du, wenn du Stoff hast.«
»Habe ich nicht.«
»Aber Geld für Stoff.«
»Auch nicht.«
Der Junge kicherte und schaute erst auf seine beiden Freunde, bevor er die rechte Hand zur Faust ballte und diese so drehte, daß Tom gegen die Nägel auf den Ringen schauen konnte. »Wenn ich damit zuschlage, sieht dein Gesicht aus wie eine rohe Fleischmasse.«
Tom blieb gelassen. »Tu es lieber nicht.«
Der Junge grinste breit. »Es liegt an dir.«
Tom nickte. Er holte Luft, wurde kleiner, als er zusammensackte – und griff blitzschnell zu. Plötzlich schrie der Junge auf, denn eine Hand umklammerte sein rechtes Gelenk wie eine Zwinge. Sie drückte zu und bog den Arm gleichzeitig zur Seite. Im nächsten Moment hämmerte Tom die beringte Hand gegen die Flurwand. Er hörte das Kratzen und Knirschen, als die langen Nägel in den Putz hineinglitten, sich dabei krümmten oder sogar abbrachen. Dann stieß er den Jungen zurück, so daß dieser ein paar Stufen höher fiel und dort liegenblieb. »Tu das nie wieder«, warnte ihn Tom, bevor er ging. Um die anderen beiden kümmerte er sich nicht. Die konnten kaum fassen, was da passiert war.
Tom haßte die Gewalt. Erst recht zum jetzigen Zeitpunkt, wo ihn andere Sorgen quälten. Aber so war es in
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