Friedhof New York
können. Leider.«
Das dachten wir auch. Allerdings wollte ich gern wissen, wie weit dieser Dämon gegangen war.
Chato breitete die Arme aus und führte die Hände wieder zusammen.
»Das kann ich nicht sagen. Er hat es geschafft, in ihre Träume zu gelangen. Er wird sie manipulieren, aber er bewegt sich nur in dieser Traumebene und nicht in der Realität.«
»Da hat er bei Abe Douglas eine Ausnahme gemacht«, sagte Suko.
»Das weiß ich. Deshalb habe ich vor der folgenden Nacht so große Bedenken. Jericho hat bei Abe geübt, und diese Übung ist gelungen. Er wird sie auf seine anderen Diener übertragen, denn ich glaube, daß jeder bereits unter seinem Willen steht. Abe hat ein Bild der Panik gesehen, ein Gemälde der Apokalypse. Er sah die Statue der Freiheit zusammenbrechen. Ich weiß nicht, ob es nur symbolisch gemeint war. Ich könnte mir vorstellen, daß es passiert und New York zu einem gewaltigen Friedhof mit unzähligen Toten wird.«
Chato hatte dermaßen ernst gesprochen, daß mir ein Schauer über den Rücken lief. Ich bekam eine leicht trockene Kehle und mußte mich freiräuspern.
»Unvorstellbar«, flüsterte auch Suko, den die gleichen Vorstellungen beschäftigten wie mich.
»Das stimmt, aber nicht unmöglich.« Chato erhob sich. »Ich denke, daß wir uns hier in der Halle den denkbar schlechtesten Ort ausgesucht haben.«
»Wo willst du hin?«
»Zu mir.«
»Und wo wohnst du? Sicherlich nicht zusammen mit den anderen im Wohncontainer.«
»Nein, ich habe einen anderen Schlupfwinkel gefunden. Bei einer alten Frau, deren Enkel ich einmal einen Gefallen habe tun können.« Er sagte nicht, was er getan hatte, ich ging dabei allerdings von einer Lebensrettung aus. »Außerdem wohne ich dort nicht allein. Tom Sengara, der mir von Jericho berichtete und mich warnte, lebt ebenfalls in dieser kleinen Wohnung.«
»Wie geht es ihm denn?«
»Er hat Angst, Suko. Große Angst sogar. Und am meisten vor der kommenden Nacht. Dabei hat er nicht einmal selbst so schlimm geträumt. Ein anderer, von Jericho beeinflußter Kollege hat ihm diesen Traum geschickt, und zwar während einer Mittagspause. Ich habe den Mann gesehen. Er hockte an seinem Arbeitsplatz und schlief die Zeit ab. Aber er träumte, und dieser Traum bewahrheitete sich bei Tom.«
»Es kam der Todesengel.«
»So war es.«
»Wenn ich dich recht verstanden habe, Chato, sieht dein Plan vor, daß wir uns bei deinen Brüdern aufhalten und sie während der nächsten Nacht bewachen.«
»Das hatte ich vorgesehen.«
Ich legte meinen Einspruch offen. »Okay, der Plan ist nicht schlecht, das gebe ich zu. Nur hast du eine Gleichung in deiner Rechnung übersehen.«
»Welche?«
»Abe Douglas. Er schläft nicht bei deinen Brüdern im Container. Er sitzt in seiner Wohnung und darf sie nicht verlassen. Man hat ihn vom Dienst suspendiert. Zumindest so lange, bis der Mord an einer jungen Frau aufgeklärt ist.«
Chatos Blick zeigte Ärger. »Steht Abe Douglas denn unter einem Mordverdacht?«
»So ungefähr.«
»Das kann nicht sein.«
Ich bedachte den Apachen mit einem schiefen Blick. »Glaubst du wirklich, Chato, daß die Kollegen die vorhandenen Tatsachen glauben werden? Glaubst du das? Nein, sie halten Abe zwar nicht gerade für verrückt, aber sie sind doch mehr als skeptisch. Deshalb können wir uns nicht nur auf deine Brüder konzentrieren. Wir müssen praktisch auf zwei Seiten kämpfen, wenn du verstehst.«
Der Indianer überlegte. »Ja, das ist wahr. Welch einen Plan hast du gefaßt?«
»Ich werde mich um Abe Douglas kümmern und dann versuchen, mit ihm zusammen zu euch zu kommen. Ich muß mit seinem Vorgesetzten reden. Sie müssen sich einfach überzeugen lassen. Schließlich ist Jericho kein Hirngespinst, verdammt.«
»Für die schon«, bemerkte Suko.
»Ich werde sehen, was sich machen läßt. Der Mietwagen ist bestellt. Chato, du läßt mir die Anschrift hier und erklärst mir auch, wo die Wohncontainer stehen. Ich komme entweder zu dem einen oder anderen Platz, zusammen mit Abe. Und ich schwöre euch, daß ich mich sehr beeilen werde. Ist das okay so?«
Sie hatten keine Einwände. Nur Suko meinte: »Ich kann mir nicht helfen, aber ein dummes Gefühl bleibt trotzdem zurück.«
Ich lächelte verzerrt. »Frag mich mal…«
***
Mrs. Elisa Markham war mittlerweile fünfundsiebzig Jahre alt geworden und gehörte zu den Frauen, die sich vom Leben nicht mehr überraschen ließen. Sie hatte es in den langen Jahren kennengelernt, und sie hatte alle
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