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Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist (German Edition)

Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist (German Edition)

Titel: Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Appel
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erhebliche Probleme damit, dass sein herrliches Offenbarungserlebnis am Felsen von Surlej, sein großer Gedanke, nicht wie ein philosophisches Statement daherkam, sondern wie ein Glaubenssatz, eine mystische Schau. Man konnte ihn annehmen oder auch nicht. Offenbarungserlebnisse sind auf begrifflichem Wege kaum zu vermitteln. Nietzsche vermittelt ihn gleichnishaft, dichterisch, halb versteckt und im Flüsterton eines Eingeweihten, der noch nicht sicher ist, ob er andere Eingeweihte dafür gewinnen kann. Aber er führt ihn nicht aus, und er platziert ihn in seinem Werk auch nicht dort, wo er hingehört: an zentraler Stelle und als Brechungspunkt, als geheimen Angelpunkt seines Werks. Er will seinem Publikum, ist man zu glauben geneigt, nicht den Beweis schuldig bleiben, wenn er sich irgendwann, sobald die Zeit dafür reif ist, mit seinem Gedanken an die Öffentlichkeit begibt. In aktuellen naturwissenschaftlichen Diskursen fand Nietzsche seinen Gedanken auf beglückende Weise bestätigt, und es ist nachgewiesenermaßen nicht so, dass er diese Literatur erst im Nachhinein las, um Beweisführungen für ihn zu finden. Die Lektüre ging vielmehr dem Gedankenerlebnis voraus, sie bildete eine systematische Vorbereitung und Einstimmung, und zwar unmittelbar in den Wochen und Monaten vor dem Augustvormittag in Surlej. Da war das Werk des Heilbronner Arztes Julius Robert Mayer, das Nietzsche im April 1881 mit Begeisterung las. Mayers Hauptwerk ist «Die Mechanik der Wärme», bei Nietzsches Lektüre im April 1881 handelt es sich aber wohl um Mayers «Beiträge zur Dynamik des Himmels». Mayer gehört zu den Begründern der Thermodynamik, deren erster Hauptsatz (Wärme und Arbeit sind nur unterschiedliche Ausdrucksformen einer umfassenden Größe, der Energie, die bei allen Naturvorgängen erhalten bleibt) heute noch gültig ist. Energie kann weder erzeugt noch vernichtet, sondern nur in andere Energiearten umgewandelt werden. Daraus ergibt sich in geschlossenen Systemen eine immer ausgeglichene Bilanz innerhalb der unterschiedlichen Energiearten – Wärme, Arbeit, Bewegung. Mayers Energieerhaltungsgesetz wirkte auf Nietzsche beflügelnd; an Köselitz schrieb er, Mayers Werk gebe ihm eine «Harmonie der Sphären» zu hören. Die «Sphärenharmonie», wonach jeder Planet einen Ton erzeugt und die Töne aller Planeten einen Wohlklang ergeben, ist ein Theorem der älteren Pythagoreer. Das musste dem musikpassionierten Spätromantiker Nietzsche gefallen, und im Blick auf eine naive antike Kosmologie durfte er auch mit dergleichen jonglieren. Aber zurück zur modernen Physik. Das Universum als geschlossenes System, in dem die vorhandene Energie sich ewig gleich bleibt, brachte den Denker jedenfalls schon sehr auf die Spur. Nun gibt es aber noch den zweiten thermodynamischen Hauptsatz, um den es doch etwas komplizierter bestellt ist. Rudolf Clausius brachte den Begriff der «Entropie» ins Spiel, eine physikalische Größe als Grad der Nichtumkehrbarkeit physikalischer Vorgänge. Innerhalb der verschiedenen Energiearten gibt es keine beliebigen Umwandlungsprozesse. So kann jede Energieform in Wärme umgewandelt werden, diese aber nicht mehr beliebig zurück. Neben den umkehrbaren Prozessen gibt es also auch irreversible Vorgänge innerhalb des Systems, bei denen die Entropie folglich zunimmt. Bereits Nietzsches Zeitgenossen haben für diesen imaginierten Maximalwert der Entropie im thermodynamischen Gleichgewicht den Begriff: «Wärmetod» formuliert, der ein globaler Endzustand wäre. Nietzsche übernahm Mayers Energieerhaltungsgesetz, also den ersten thermodynamischen Satz, und kombinierte ihn mit der Annahme der Unendlichkeit der Zeit, die er in diversen materialistischen Weltbildern bestätigt und bewiesen fand, was aber auch, strenggenommen, nur eine Behauptung sein kann. Die Energiemenge im Universum ist zwar groß, aber endlich, und sie befindet sich in einem immerwährenden Gleichgewichtszustand von reversiblen und irreversiblen Umwandlungsprozessen. Da die Materie endlich ist, müssen alle nur möglichen Kombinationsvarianten innerhalb des Systems einmal durchgespielt sein. Innerhalb einer als unendlich verstandenen Zeit müsste dieser Finalzustand längst erreicht sein. Da aber der Wärmetod bislang noch nicht eintrat, auf den das Universum als geschlossenes System hinsteuern müsste, müssen sich die «Weltzustände» irgendwann wiederholen. Die «ewige Wiederkehr des Gleichen» scheint damit bewiesen. «Die Welt der

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