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Friesengold (German Edition)

Friesengold (German Edition)

Titel: Friesengold (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Flessner
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was ist mit meiner Tochter? Wie stellen Sie sich ihren Alltag vor?«
    »Was macht Ihre Tochter?«, fragte Pütthus.
    »Sie geht aufs Ulricianum. Elfte Klasse.«
    »Bringen Sie sie morgens zur Schule und holen Sie sie wieder ab. Lassen Sie sie danach zu Hause.«
    »Einfach gesagt. Sie kennen meine Tochter nicht.«
    »Versuchen Sie es trotzdem. Sobald wir Näheres wissen, informieren wir Sie«, versicherte Greven.
    »Darauf werde ich mich bestimmt nicht einlassen. Spricht etwas dagegen, dass ich einen Privatdetektiv engagiere?«
    »Das ist Ihre Sache«, sagte Greven und verfolgte, wie die Wut sich auf ihren Wangen ausbreitete, wie sie aus den Augen zu lauern begann. Eine stolze Frau, dachte er, eine starke Frau.
    »War es das, meine Herren? Ich habe nämlich noch ein ganzes Haus aufzuräumen!«, sagte die starke Frau fast fauchend und drehte sich demonstrativ um.
    »Noch nicht ganz«, hielt sie Greven zurück. »Denken Sie bitte noch einmal darüber nach, was der Täter hier gesucht haben könnte. Warum hat er Ihre Akten durchwühlt? Ich vermute, er hat nach einem Hinweis gesucht, einer Adresse zum Beispiel, einem Kaufvertrag, einer Urkunde, einem Testament oder etwas Ähnlichem.«
    »Tut mir leid«, wies ihn die Gräfin ab. »Wie ich Ihnen schon sagte, ich habe keine Ahnung.«
    »Aber Sie sind doch vermögend, Frau von Reeten?«, schaltete sich Pütthus in die Befragung ein und gab ihrer Wut neue Nahrung.
    »Sieht man das nicht?!«
    In diesem Augenblick erschien ein Mädchen in der Tür, dessen Alter Greven auf etwa sechzehn bis siebzehn schätzte. Es war fast so groß wie die Mutter und wie diese schwarz gekleidet. Schwarzer Pullover, schwarze Jeans, schwarze Stiefel, schwarzer, fast bodenlanger Ledermantel. Aber damit war das Schwarz noch lange nicht erschöpft. Auch die Haare und die Fingernägel waren schwarz, die Augen versanken in schwarz vignettierten Höhlen und beherrschten gemeinsam mit schwarzviolett glänzenden Lippen eine leichenblasses, fast weiß geschminktes Gesicht. Aus dem rechten Nasenflügel, der rechten Augenbraue und der Unterlippe ragte jeweils ein Piercing in Form eines Knochens. Um den Hals hing eine goldene Kette, deren Abschluss ein stilisierter Vogel bildete, der Greven an den Horusfalken erinnerte.
    Das Mädchen lehnte sich an die Schulter der Mutter, hob den Kopf leicht und nahm die beiden Kommissare wortlos und mit einem kalten, überheblichen Blick ins Visier.
    Sophie von Reeten setzte ein schwer zu deutendes Lächeln auf und ließ ein paar Sekunden versickern, bevor sie langsam den Mund öffnete.
    »Annalinde. Meine Tochter.«

 
     
     
     
    6
     
    »Wer hat denn die zwei eingeladen?«
    »Die Galerie«, antwortete Mona. »Und das weißt du ganz genau. Irgendjemand muss ja auch ein Bild kaufen.«
    Fasziniert verfolgte Greven ein Paar im Rentenalter, das gekleidet war, als wolle es sich anschließend auf dem Wiener Operball noch unauffällig unter die Debütanten mischen. Der Mann trug nicht nur einen Smoking samt Fliege, sondern auch ein Toupet; die Frau hatte sich dafür mit mehr Make-up überzogen als das adelige Gothicgirl, das ihm vor ein paar Tagen präsentiert worden war. Allerdings hatte sie sich bei der Farbe des Lippenstifts für Signalrot und bei den Piercings für goldene Ohrringe entschieden. Ihr Gesicht aber war ebenfalls fast weiß, so dass er an die Ballszene in Polanskis Tanz der Vampire denken musste.
    »Musst du die so angaffen?«
    Greven nickte.
    Mr and Mrs Dracula steuerten schnurstracks auf den Galeristen zu, der für ihre Begrüßung ein Gespräch abrupt abbrach, ihnen entgegenstürzte und sich zu einer übertriebenen Verbeugung hinreißen ließ.
    »Wehe, du lachst!«, zischte es neben Greven.
    Andere Gäste schienen das Paar ebenfalls zu kennen und stellten spontan ein Begrüßungskomitee zusammen. Viel Platz konnten sie dafür jedoch nicht in Anspruch nehmen, denn der Galerist hatte offenbar großzügig Einladungen verschickt. Der Ausstellungsraum füllte sich zusehends, Mona war keine Unbekannte in der Kunstszene.
    »Du hättest dir wenigsten eine Krawatte umbinden können. Sieh dich bloß mal um!«
    »Das tue ich ja, Mona, das tue ich. Aber das geht auch ganz gut ohne Krawatte.«
    »Du weißt genau, was ich meine. Allein das Hemd, das du ausgesucht hast. Ein älteres konntest du wohl nicht finden.«
    »Ich dachte, es wäre dein Lieblingshemd?«
    »Zu Hause schon.«
    Ein Mann in Grevens Alter, aber mit vollem Haar und dunkler Krawatte kam auf Mona zu und

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