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Friesengold (German Edition)

Friesengold (German Edition)

Titel: Friesengold (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Flessner
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Strümpfe mündeten in hohe Stiefel ein. Greven ließ sofort seinen Bauch verschwinden.
    »Guten Abend, Frau von Reeten.«
    »Hat man Sie etwa zum Streifendienst verdonnert, Herr Kommissar?«
    »Nein, ich habe zum Glück eine nachsichtige Staatsanwältin.«
    »Dann riskieren Sie also einen Ausflug in die Welt der Kunst? Aber ja, ich vergaß, Sie kennen sich ja aus.«
    »Ein bisschen«, lächelte Greven. »Und ich dachte, Sie bevorzugen London und Paris, wenn es um Wesentliches geht?«
    »Jetzt legen Sie doch nicht jedes meiner Worte auf die Goldwaage. Außerdem ist Mona Jenns eine anerkannte Künstlerin. Und das nicht nur in der ostfriesischen Provinz.«
    »Tatsächlich?«
    »Vertrauen Sie mir. Und werfen Sie ab und zu mal einen Blick in die Zeit oder die FAZ .«
    »Ich werde Ihren Rat befolgen«, versicherte Greven mit sanfter Ironie. »Darf ich Sie zur Tür begleiten?«
    »Also doch Polizeischutz.«
    »Wenn Sie es so betrachten, an diesem Abend schon.«
    Greven ging voraus und öffnete die Tür. Mit einer lässigen Handbewegung ließ er sein Glas verschwinden, schaffte etwas Platz im Eingangsbereich und griff erneut zu. Nach einer halben Drehung stand er vor Sophie von Reeten und reichte ihr ein Glas Prosecco.
    »Wie aufmerksam. Dann also auf Ihr Wohl!«
    »Auf die Kunst. Und auf Sonny Rollins!«, denn in diesem Augenblick hatte Greven den Saxofonisten erkannt.
    » Way out West «, konstatierte sein Gegenüber trocken. » Solitude , aufgenommen 1957. Ray Brown am Bass, Shelly Manne am Schlagzeug. Ein Klassiker. Etwas für die Ewigkeit.«
    Greven setzte das Glas wieder ab, sein Bauch verließ sein Versteck und sackte in sein Baumwollhemd. Sophie von Reeten quittierte seine Reaktion mit einem lässigen Augenzwinkern und einem weiteren Zuprosten. Ihm blieb ein anerkennendes Nicken, das nicht gespielt war. Dabei vergrub er sich kurz in ihr Gesicht, in die außergewöhnlichen Wangenknochen, in ihre Haut, deren dunkler Teint sehr gut zu einem südamerikanischen Rhythmus gepasst hätte, ihre langen, fast schwarzen Haare und ihr Blick, zu dem ihm gleich mehrere Adjektive durch den Kopf gingen, darunter kühn, verwegen, provokant.
    Seine Abtastung war noch nicht beendet, als sich ein Mann aus der Menge löste, Sophie von Reeten kurz in den Arm nahm und sie auf die Wange küsste. Sie erwiderte die Zuneigung, lächelte, drückte den Unbekannten und führte ein kurzes Gespräch von Mund zu Ohr, dessen Inhalt Greven somit komplett entging. Nicht ein Wort war danke der Klangkulisse in der Galerie zu verstehen. Der Mann, Mitte vierzig, schulterlanges Haar, dunkle Jacke, rote Weste, weißes Hemd, giftgrüne Krawatte, Jeans, ließ schon nach wenigen Sätzen wieder von der Gräfin ab und verschmolz wieder mit der Menge.
    »Ihr Privatdetektiv?«
    »Nein«, schmunzelte Sophie von Reeten, »nur ein guter Freund, übrigens ein Bekannter von Mona Jenns.«
    »Interessant«, kommentierte Greven und versuchte doch noch, der Spur des Mannes zu folgen, was ihm jedoch nicht gelang. Die Menge hatte ihn bereits absorbiert.
    »Da Sie diese Frage so zu interessieren scheint: Ich habe keinen Detektiv engagiert. Wer auch immer bei mir eingedrungen ist, hat gesehen, was er hat sehen wollen. Warum sollte er mich ein zweites Mal belästigen? Weil er inzwischen einen Käufer für den Warhol gefunden hat? Wohl kaum. Außerdem habe ich Fenster und Türen mit einem Sicherheitspaket ausstatten lassen. Sie erfüllen jetzt einen deutlich höheren Sicherheitsstandard. Zufrieden?«
    »Mit dem Sicherheitspaket auf jeden Fall«, rief Greven mehr oder weniger. »Ihre Vermutung, der Einbrecher habe sein Interesse verloren, teile ich nicht.«
    »Sie haben den Warhol nicht gesehen.«
    »Sie haben den Goldschmied nicht gesehen«, konterte Greven. »Außerdem kann den nicht jeder verkaufen. Nein, dieser Täter, falls es wirklich derselbe ist, sucht eine ganz andere Beute.«
    Sophie von Reeten überließ die Antwort ihrem Blick, der das Thema für erledigt erklärte. Stattdessen hielt sie ihm ihr leeres Glas hin, das er ihr auch abnahm. Es dauerte eine Weile, bis er sich zur Bar durchgeschlagen hatte und die Gläser tauschen konnte. Dabei begleiteten ihn Paul Desmond und Dave Brubeck mit dem unverwüstlichen Take Five . Aber wer hätte das nicht auf Anhieb erkannt. Take Ten , seine Lieblingskomposition von Desmond, stufte er als weniger bekannt ein.
    Bei seiner Rückkehr fand er die Gräfin von zwei Männern flankiert vor, die ihre Kleidung ebenfalls in ganz anderen

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