Friesengold (German Edition)
Greven. »Wem gehört der Schatz eigentlich?«
»Hier steht es. Einer Stiftung mit Sitz in Aurich. Vorstand ist Folef von und zu Aldenhausen. Stiftungsgründer ist Fokko von und zu Aldenhausen, der Großvater von Folef«, erklärte Mona und rief die nächste Seite auf, die über die Herkunft des Schatzes Auskunft gab.
»Angeblich stammt er von Karl dem Dicken, einem Nachkommen von Karl dem Großen. Um die Friesische Freiheit zu bekräftigen, soll er 885 diesen Schatz den Friesen geschenkt haben. Daher auch der Name Friesengold. Gesichert aber ist das nicht. Wertvollstes Stück ist der sogenannte Friesische Adler, eine mit Edelsteinen besetzte Statue aus Gold, die die Friesische Freiheit symbolisiert. Jahrhundertelang galt der Schatz als verschollen, bevor er 1929 bei Umbauarbeiten im Schloss Aldenhausen zufällig hinter einer Wand zum Vorschein kam. Wie er ins Schloss und in den Besitz derer von und zu Aldenhausen gelangt ist, konnte bislang nicht geklärt werden.«
»Ein wirklich schönes Motiv, aber auch ein sehr bekanntes und offensichtliches. Wenn der Schatz verschwindet, ist der Wirbel groß. Es sei denn, man tauscht ihn gegen Fälschungen aus.«
»Du denkst an Onken«, sagte Mona. »Naheliegend, aber kaum durchführbar. Selbst wenn eine perfekte Kopie gelingt, spätestens beim nächsten Verleih werden die Exponate von der Versicherung geprüft, und der Schwindel fliegt auf. Die kratzen ein bisschen Gold ab und schicken es einmal durch ihren Gerätepark. Heute kann man sogar feststellen, aus welcher Mine das Gold stammt.«
»Wir werden es uns trotzdem ansehen«, entschied Greven, während Mona den Rechner wieder herunterfuhr. Noch immer ärgerte ihn, dass er an das Friesengold, das direkt vor den Toren Aurichs fast täglich zu besichtigen war, nicht gedacht hatte. So unwahrscheinlich es auch war, ignorieren durfte er es auf keinen Fall.
Mona hatte gerade ihren Laptop wieder zurück in ihr Büro gebracht, als das Telefon klingelte. Greven stand auf, aber sie hatte bereits abgenommen. Ihm blieb nur, eine neue CD einzulegen. Er hatte noch keine Entscheidung gefällt, als Mona mit dem gleichen ernsten und konzentrierten Gesicht zurückkam wie vorhin.
»Wir brauchen am ersten Feiertag nicht zu kochen. Wir sind gerade zum Weihnachtsessen eingeladen worden.«
»Schön. Von wem?«
»Sophie von Reeten.«
Grevens Mund öffnete sich langsam, auch fehlten ihm erst einmal die passenden Worte. »Und du hast zugesagt? Hast du die laufenden Ermittlungen vergessen?«
»Hast du meine Neugier vergessen?«
20
»Frau Gräfin wohnen nicht schlecht«, sagte Mona, als sie neben dem roten Jaguar hielten. »Scheint keine arme Familie zu sein. Sogar ein kleines Auto haben sie. Was ist die Dame noch mal von Beruf?«
»Privatière.«
»Ein schöner Beruf. Wird viel zu selten ergriffen. Dabei benötigt man gar keine Ausbildung. Oder hat sie eine?«
»Sie hat Kunstgeschichte studiert«, antwortete Greven mit straff gespannten Nerven. »Mona, wenn du so drauf bist, brauchen wir gar nicht erst reinzugehen.«
»Natürlich gehen wir. Deshalb sind wir ja hier. Du hast Schuppen oder Dreck auf dem Mantelkragen«, sagte sie und stieg aus.
Sie hatten die Stufen noch nicht erreicht, als ihnen Sophie von Reeten die Tür öffnete. Natürlich war sie wieder ganz in Schwarz, bodenlang diesmal und hochgeschlossen, aber figurbetont. Mit ihren langen Haaren erinnerte sie ihn an eine Fee oder einen Dämon. Lilith. Adams erste Frau. Nimm dich in Acht vor ihren schönen Haaren. Aber es war nicht Walpurgisnacht, sondern Weihnachten. Die Schöne hatte beste Laune und breitete ihre Arme für sie aus.
»Ich freue mich, dass ihr so spontan kommen konntet. So, und jetzt herein in die gute Stube!«
Mona rollte kurz mit den Augen, reichte ihr aber artig die Hand. Greven hatte beschlossen, das Wundern einzustellen und reichte ihr ebenfalls die Hand, die die Gastgeberin auch ergriff und ihn dabei kurz an sich zog. Mona entging diese kleine Geste, da sie damit beschäftigt war, die Schleifen auf dem mitgebrachten Präsent in Bestform zu bringen. »Eine Kleinigkeit. Schließlich ist ja Weihnachten«, sagte sie im Foyer und überreichte der Gastgeberin das Geschenk, das unschwer als Bild zu erkennen war. Ein Stillleben, ein Apfel, wie Greven wusste, der die Warhol’sche Banane ergänzen sollte. Die Beschenkte bedankte sich mit einem gekonnten Knicks und einem Lächeln.
An der Treppe wartete Annalinde, begrüßte sie ebenfalls ausgesprochen
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