Friesengold (German Edition)
Plätzen. Auf einer langen Werkbank war eine große Ständerbohrmaschine montiert. Dunkelgrüne Metallschränke verbargen das übrige Werkzeug. Werkstücke oder Arbeitsspuren wie Metallspäne waren keine zu sehen; die Werkstatt war lange nicht mehr benutzt worden.
»Hier hat also Ihr Vater experimentiert?«
»Nein«, antwortete Annalinde von Reeten fast verwundert. »Hier hat er nur Stative für seine Laborgeräte gebaut. »Experimentiert hat er in seinem Labor. Wollen Sie es sehen?«
»Natürlich.«
Der Teenager griff hinter den aufgewickelten Gartenschlauch, und ein Teil der Wand glitt lautlos zur Seite. Leuchtstoffröhren flackerten auf und erhellten einen Raum von der Größe einer Garage. Wahrscheinlich war es sogar einmal eine Garage gewesen. Die Wände waren von Labortischen gesäumt, so dass in der Mitte nur wenig Platz für den Betreiber des Labors blieb. Auf den Tischen standen moderne Analysegeräte und verschiedene Apparaturen, bestückt mit Erlenmeyer- und Rundkolben. In schmalen Regalen warteten unbekannte Chemikalien auf ihren Einsatz. Auf dem rechten Tisch thronte ein großer Monitor samt Keyboard und Rechner. Staub konnte Greven indes nicht entdecken.
»Meine sentimentale Frau Mutter hat alles so gelassen. Zur Erinnerung«, erklärte Annalinde von Reeten.
»War Heyden, ich meine, war der Einbrecher auch in diesem Raum?«
»Nein. Wie sollte er auch. Ihre Kollegen waren übrigens auch nicht drin. Aus dem gleichen Grund.«
»Der Schalter hinter dem Gartenschlauch.«
»Ganz genau.«
»Und warum zeigen Sie mir dieses Labor?«
Annalinde von Reeten lächelte kurz, zuckte mit den Achseln und drehte sich um. Greven sah sich einige der Apparaturen näher an, ohne auch nur zu ahnen, wozu sie dienten. Chemie hatte er schon am Gymnasium gehasst. Schließlich folgte er seiner Gastgeberin, die in der Tür auf ihn wartete und gleich wieder den Schalter betätigte, als er wieder in der Werkstatt stand. Lautlos verschwand das Labor hinter einer unscheinbaren Wand.
»Gehen wir auf den Dachboden«, sagte das Mädchen und beschleunigte seine Schritte, dass er aufgrund seines Knies Mühe hatte, mit ihr mitzuhalten. Sie joggte förmlich die große Treppe hinauf und führte ihn zu einer schmalen Tür, hinter der sich eine weitere Treppe verbarg.
Eine nackte alte Glühbirne sorgte für ein fahles Licht, in dem er Möbelstücke, Kisten und Kartons erkennen konnte. Annalinde von Reeten huschte im Zickzackkurs über den Dachboden und wurde schnell fündig. Aus einem kleinen Hügel abgelegter Kleider zog sie den Umzugskarton hervor, den ihr die Großtante vermacht hatte.
»Den hat der Einbrecher auch nicht gesehen?«
»Nein«, antwortete das Mädchen. »Bis zum Dachboden ist er nicht gekommen.«
Gemeinsam zogen sie den Karton unter die Glühbirne und öffneten die großen Laschen. Auf der einen Seite lag ein Stapel Kinderbücher, auf der anderen zusammengelegte Kinderkleider.
»Das sind ja meine Sachen!«, stellte der Teenager überrascht fest.
19
»Hast du sie jetzt endlich verhaftet?«
»Aber warum sollte ich sie denn verhaften?«
»Na, sie hat dir doch so einiges verschwiegen«, sagte Mona, während sie die nächste Kiste vorbereitete.
Greven hob vorsichtig das Bild an, balancierte es zur Kiste und ließ es langsam hineingleiten. »Passt perfekt. Vier Bilder noch, und wir haben es geschafft.«
»Jetzt lenk nicht ab.«
»Ich lenke nicht ab. Es gibt nur keinen Grund, sie zu verhaften, es sei denn, den, dass du sie nicht magst.«
»Reicht das nicht?«
»Nein«, entgegnete Greven mit Nachdruck. »Das reicht nicht.«
»Schade. Sehr schade.«
»Tut mir leid.«
»Bestimmt.«
»Sag mal, was ist eigentlich mit dem Schönberg-Bild?«, wechselte Greven das Thema.
»Das müssen wir mitnehmen. Der Käufer kann es erst nach Weihnachten abholen.«
Greven wuchtete auch sein Lieblingsbild von der Wand und verstaute es in der Kiste. Die Show war vorbei. Die Behelfsbar war bereits abgebaut, nur einige leere Proseccoflaschen und Sektgläser warteten noch auf ihre Entsorgung. Der Galerist beteiligte sich nicht an der Verpackungskunst, sondern telefonierte mit lauter Stimme in seinem Büro. Außer mit der Abrechnung hatte er mit Monas Ausstellung kaum noch etwas zu tun. Da sie über die Hälfte ihrer Bilder verkauft hatte, würde auch er mit der Ausstellung und seinem Anteil zufrieden sein.
»Die letzte Kiste«, sagte Mona.
Greven füllte sie mit den beiden letzten Bildern und klappte den
Weitere Kostenlose Bücher