Friesengold (German Edition)
Deckel zu.
»Prosecco?«
»Ich dachte, es ist nichts mehr da?«, wunderte sich Greven.
»Hinten im Kühlschrank steht die letzte Flasche«, sagte Mona und verschwand in dem kleinen Flur. Mit zwei Gläsern und dem Prosecco kehrte sie gleich darauf zurück.
»Ich finde, das haben wir uns verdient.«
»Die Kisten sind noch nicht im Wagen.«
»Das schaffen wir auch noch. Erst stoßen wir an!«
Der eiskalte, moussierende Wein tat gut und versöhnte mit den leeren Wänden, den Kisten und den zwei Stunden Aufräumarbeit, die hinter ihnen lagen. Und davor hatte er bereits einen ganzen Tag im Büro verbracht und Berichte gelesen und geschrieben. Viel war dabei nicht herausgekommen, abgesehen von ein paar Details. So hatte sich der kleine, dunkelviolette Fleck auf der Wange von Heyden als bedeutungslose Schmauchspur entpuppt. Da die Treibladungen der Patronen nicht immer gleichmäßig verbrannten, konnte so etwas vorkommen. Genau hatte das der Ballistiker auch nicht erklären können.
Mona hob das Glas und sah ihn fast ein wenig melancholisch an: »Jedes Mal freue ich mich, wenn eine Ausstellung so gut gelaufen ist. Und jedes Mal bin ich ein bisschen traurig, wenn alles vorbei ist. Die Ausstellung war das Ganze, jetzt ist alles in seine Einzelteile zerfallen. Die Bilder werden auseinandergerissen und erhalten Einzelplätze an unterschiedlichen Orten. Nur in meinem Kopf bilden sie noch ein Ganzes und gehören weiterhin zusammen. Jeder Käufer aber sieht bald nur noch sein Bild. Er verliert das Ganze aus den Augen.«
»Bei mir ist es genau umgekehrt«, meinte Greven, das Glas in der Hand und bequem an die letzte Kiste gelehnt. »Ich sehe zuerst nur wenige Teile und muss sie zu seinem Ganzen zusammensetzen. Sobald ich es erkenne, ist bei mir alles vorbei. Was bei dir der Anfang ist, ist bei mir das Ende.«
»Und was glaubst du inzwischen zu erkennen?«
»Noch immer zu wenig«, musste er eingestehen. »Einzelne Bilder, mittlerweile ein paar mehr, aber noch lange kein Ganzes.«
»Aber du wirst doch einen Verdacht haben? Meinen kennst du ja.«
»In gewisser Weise dürftest du sogar recht haben. Das Motiv ist irgendwo im Kreise der Familie Aldenhausen zu suchen.«
»Das ist nichts Neues«, sagte Mona und schenkte noch etwas Prosecco nach. »Haben denn die Oldenburger nichts über diesen Heyden herausgefunden?«
»Wenig genug. Unser Killer war ja nicht blöd, wenn wir einmal von den letzten Minuten seines Lebens absehen. Er hat also eine saubere Wohnung hinterlassen. Keinen Rechner, kein Adressbuch, keine Beute. Alles absolut sauber. Die Kollegen tippen auf ein externes Versteck. Bei einem Kumpel oder auch nur in einem Schließfach. Immerhin haben sie im Altpapier eine Postkarte von Onken gefunden. Total zerlegt, aber sie konnten sie wieder zusammenkleben.«
»Und was steht drin?«
»Wenn wir das wüssten. Ein paar banale Sätze. Danke für Ihren Einkauf. Grüße aus Aurich . Sonst nichts. Natürlich ist es eine Art Code, aber wenn bestimmte Wörter für bestimmte Aktionen oder Termine vereinbart wurden, ist dieser Code nicht zu knacken. Das Datum des Poststempels ist auch nicht zu lesen.«
»Was ist mit dem Arztfrauenpanzer?«
»Denn suchen wir noch. Wir lassen jeden SUV, der irgendwo auf einem Auricher Parkplatz steht, überprüfen. Wenn ihn aber der Mörder mitgenommen hat, sieht es schlecht aus. Auf Heyden ist ein Golf zugelassen, den SUV hat er also gestohlen und eventuell zur Dublette gemacht.«
»Dublette?«
»Er hat einen SUV ausgesucht, der einem anderen weitgehend ähnlich ist. Gleiche Marke, gleiche Farbe. Dann hat er sich identische Nummernschilder machen lassen. So ein Auto zu finden, ist also gar nicht so leicht. Denn wenn man es überprüft, ist es nicht als gestohlen gemeldet.«
»Na fein. Und wenn der Mörder von Heyden sich jetzt zurückzieht, sitzt ihr auf dem Trocknen.«
»Das will ich nicht sagen. Wir werden uns die Familie vornehmen. Nicht erst seit dem Zusammentreffen mit Annalinde weiß ich, dass es dort noch viele Geheimnisse zu lüften gibt. Mir wäre es sogar lieber, der Mörder würde sich zurückziehen. Drei Tote sind mehr als genug.« Greven leerte das Glas und stellte es zu den anderen in die Ecke. »Lass uns die Kisten zum Auto tragen.«
Vor dem Hintereingang hatte der Galerist einen kleinen Bus geparkt, den sie für den Transport nutzen konnten. Die Kisten waren schwer, aber der Weg nicht weit. Viermal mussten sie den Weg zurücklegen, dann waren die Bilder verstaut. Inzwischen
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