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Friesenherz

Friesenherz

Titel: Friesenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janna Hagedorn
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zutexten.
    Ich hörte nur mit halbem Ohr hin, während wir uns durch den Wind auf dem Deich entlangkämpften. Wolken rasten über den Himmel wie wild gewordene BMWs auf der A7. Immerhin hatte der Regen ein wenig nachgelassen. Am Horizont konnte man schemenhaft eine Reihe von Halligen erkennen, die dort unbewegt lagen wie eine Walfamilie, die auf offener See ein Nickerchen machte. Vor uns, an der Südspitze Boldsums, erhob sich rotweiß geringelt der Leuchtturm von Süderhörn aus der struppigen Heide. Ich suchte den Horizont ab, aber kein Schiff war zu sehen.
    Während Geli erzählte, blickte ich argwöhnisch auf das Grüppchen, das vor uns ging. Jan, Ann, Bärbel und Ahimsa schienen eine Menge Spaß zu haben, sie lachten, und Ann warf dabei übertrieben ihren Kopf zurück, fast als wollte sie Jan auffordern, sie mal eben rasch in die Kehle zu beißen.
    Wieder legte Geli mir eine Hand an den Oberarm, als hätte sie mir eine sehr vertrauliche Mitteilung zu machen. »Also gestern Nachmittag«, erzählte sie, »da war ja noch ganz ordentliches Wetter, sogar richtig warm in der Nachmittagssonne, und da wollten wir es uns ja noch ein bisschen gemütlich machen auf der Terrasse vom Venezia. Da kommt doch die Kellnerin an und sagt, wenn wir sitzen wollten, dann nur auf dem Mäuerchen. Ich frag sie, warum, darauf sagt sie, wir seien Laufkundschaft. Weil wir keine Getränke bestellt hätten, sondern nur Eis in der Waffel.«
    »Und?«, fragte ich mäßig interessiert. »Hattet ihr?«
    »Ja, schon«, meldete sich Hans-Gerd zu Wort, »aber du musst das richtig erklären, Geli, wir hatten nicht einfach nur so eine Kugel, sondern die Schlemmertüte. Drei Geschmäcker mit Soße, Sahne und Streuseln. Für drei fünfzig.«
    »Vier fünfzig!«, berichtigte Geli. »Und dafür lässt sie uns auf dem Mäuerchen sitzen!«
    »Besonders ayurvedisch ist das aber nicht, mit der Schlemmertüte!«, sagte ich, und Geli blickte mich erschrocken an.
    »Aber ich hab das so verstanden … also, ist süß nicht eine der Geschmacksrichtungen?«, fragte sie.
    »Klar«, sagte ich. »Süße Ananas, süße Mango …«
    »Aber richtig süß, ich meine wie in …«
    »Nein«, belehrte ich sie in einem Anfall von Grausamkeit. »Industriezucker ist tabu.«
    »Du kennst dich aber schon gut aus«, sagte Geli spitz, »dafür, dass du erst seit gestern hier bist.«
    »Das ist doch was anderes«, zischte Hans-Gerd seiner Frau zu, »sie ist Lehrerin.«
    »Na und?«
    »Geli! Du weißt doch, wie die sind …«
    Ich kam nicht dazu, mich über die beiden aufzuregen, denn wir waren mittlerweile am Strand angelangt, die salzigen Pfützen im Watt schimmerten bleigrau und spiegelten den stürmischen Himmel wider. Jan, der seinen blonden Haarschopf unter einer blauen Wollmütze versteckt hatte, blickte über seine Schulter zurück und uns an: »Wenn die Damen ihre Diskussion vielleicht ein wenig aufschieben könnten?«
    Ahimsa und Bärbel blieben stehen und sahen ebenfalls zu uns her.
    »Das habt ihr wohl eben nicht so ganz mitbekommen«, sagte Ahimsa und nickte bedächtig zu seinen eigenen Worten, »aber wir haben gerade beschlossen, dass wir es eher meditativ gestalten wollen. In Stille. Diesen Übergang vom festen Land zum Meer, zum Meeresboden, in das ganz andere Element.«
    Jan nahm seine Mütze ab, kratzte sich am Kopf, dann setzte er die Mütze wieder auf. »Ja«, sagte er. Dann kratzte er sich an der Nase.
    Wir lauschten. Der Wind heulte leise.
    »Also«, fing er wieder an, »Lisi hat mir das so erklärt: spüren und führen. Also, dass ich mit euch so losgehen soll, als wärt ihr auf einer Entdeckungsreise, und … ach, ich weiß auch nicht. Normalerweise würde ich das ganz anders ausdrücken, auf einer Wattwanderung.«
    »Und wie?«, fragte Ahimsa interessiert.
    Jan schmunzelte, sodass sich in seinen Wangen tiefe Grübchen bildeten.
    »Einfach mal Klappe halten«, sagte er.
    Am Strand setzte Ann sich ins struppige Dünengras und winkelte ein Bein an, bis der rote Minirock kaum noch bis zu ihren Schenkeln reichte. Dann zog sie stumm die Gummistiefel aus und krempelte ihre Leggings hoch. Die meinte das wirklich ernst mit dem Barfußlaufen. Wen wollte sie wohl damit beeindrucken?
    »Jetzt kommt bestimmt gleich der Wurm!« Geli Schatz zupfte mich aufgeregt am Ärmel.
    »Was für ein Wurm?«
    »Na, ein Wattwurm! Das machen die doch immer, dass sie einen ausgraben!«
    »Ich weiß nicht. Ist das dann noch meditativ?«
    Geli zuckte die Schultern. »Für den Wurm sicher

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