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Friesenherz

Friesenherz

Titel: Friesenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janna Hagedorn
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speziellen Blick. Und im Café hat er ja auch schon versucht, dich zu sich nach Hause zu locken und in sein Dampfbad. Hat mir richtig leidgetan, wie du ihm einen Korb gegeben hast. Von wegen trockene Hitze und feuchte Hitze.«
    Ich zuckte hilflos die Schultern, überwältigt von einem plötzlichen Glücksgefühl, das wie heiße Schokoladensoße in meinen Adern pulsierte. »Da hab ich wohl etwas nicht richtig verstanden. Schätze, ich bin ein bisschen aus der Übung.«
    »Ich wollte nur sagen«, Ann ging wieder zum Kühlschrank und inspizierte noch einmal die Käsepackung, »wenn du Interesse hast … immer ran an den Speck.« Dann zog sie etwas heraus und schwenkte eine riesige Fischplatte vor meiner Nase, die mit Frischhaltefolie abgedeckt war. »Vielleicht etwas Räucherlachs, meine Liebe?«, kicherte sie übermütig.
    Ich zog die Frischhaltefolie herunter, suchte in einer Schublade halbherzig nach einer Gabel, dann zupfte ich mir zwei Scheiben mit den Händen ab und ließ sie in meinen Mund gleiten. Sie schmeckten großartig, so großartig, wie überhaupt noch nie ein Stück Lachs geschmeckt hatte, nach Meer und Sex und Sünde. Vielleicht lag es daran, dass ich aus ökologischen Gründen seit Jahren keinen Lachs mehr gegessen hatte – Überfischung! Zerstörung der Nahrungskette! –, vielleicht an der Situation. Dieser verbotenen, dieser albernen Lust am Leben, die mich spätabends in dieser zweitklassigen Hotelküche überfallen hatte, Lust, die einen kurzen Namen trug, einen Namen mit drei Buchstaben.
    »Yolo«, flüsterte ich.
    Dann versuchte ich mich zu sammeln.
    »Wie du so richtig bemerkt hast, wäre da noch eine Kleinigkeit«, sagte ich so nüchtern wie möglich. »Ich bin verheiratet.«
    Ann warf lachend den Kopf in den Nacken. »Klar«, sagte sie übermütig, »wer ist das nicht?«
    Nachdenklich zupfte ich ein Stück Lachs in kleine Fetzen. »Aber jetzt mal ernsthaft«, sagte ich, »warum sollte Jan mich wollen? So eine«, ich suchte nach Worten, »eine … Secondhand-Frau?«
    Ann legte mir mütterlich eine Hand auf den Arm. »Herzchen«, sagte sie, »in unserem Alter sind wir alle secondhand. Eingetragen und ein bisschen aus der Form geliebt von anderen. Glaub mir, ich kenn mich aus auf dem zweiten Liebesmarkt. Und außerdem«, sie kam noch näher, »wer spricht denn von einem ernsthaften Handel? Wir sind doch hier nicht bei Ebay! Es geht hier nur um eine kleine Tauschbörse. Ein bisschen Spaß. Ein bisschen … Leben. Was glaubst du eigentlich, was dein Mann gerade so macht, während du hier dein Dharma suchst?«
    »Mein Mann?« Meine Stimme überschlug sich hysterisch. »Was weißt du denn über meinen Mann?«
    Ann sah aus dem Fenster. Ihre Nase zeichnete sich im Profil markant vor dem nachtdunklen Fenster ab.
    »War bloß so eine Idee«, sagte sie schließlich. »Ich dachte mir, das läuft doch sicher so, in diesen langen Ehen, dass man sich auch mal ein bisschen Freiheit lässt. Ein bisschen Spielraum. Wäre ja sonst nicht zum Aushalten, oder?«
    Ich wollte gerade zu einer flammenden Gegenrede ansetzen, aber plötzlich fühlte ich mich, als hätte ich Watte im Mund. Ein Teil von mir war empört über Anns Unterstellungen, während ein anderer Teil die ganze Zeit etwas in meinem Kopf krähte, das sich anhörte wie: »Siehste! Hab ich dir doch schon immer gesagt!«
    »Nein«, sagte ich schließlich, »nein. Unsere Ehe ist völlig anders.«
    Ich blickte aus dem Fenster, überwältigt von Erinnerungen.
    Und dann brach es aus mir heraus.
    »Weißt du«, sagte ich, »um ein Haar hätte ich Ronja nicht bekommen.«
    Ann blickte mich bestürzt an.
    »Was, du? Du siehst aus, als wärst du schon immer so ein Typ gewesen.«
    »Was für ein Typ denn?«
    Sie fuhr mit dem Fingernagel in die Ritze zwischen ihren Schneidezähnen und beäugte misstrauisch, was sie da zutage gefördert hatte. Ich musste an mich halten, sie nicht zu ermahnen. Wenn Ann keine Tischmanieren hatte, war das ihr Problem. Ich war nicht ihre Mutter.
    »Familientyp«, nuschelte sie.
    Ich nickte. »Ja. War ich wahrscheinlich auch. Aber ich hab auch ein verdammt großes Opfer dafür gebracht.«
    Ann schwieg und wartete. Ich zeichnete mit dem Zeigefinger ein Muster in das Kondenswasser auf meinem Pilsglas.
    »Es gab da diesen Jungen. Einen Mitstudenten von mir. Alle fanden ihn toll. Aufregend. Sexy. Ich hätte nie gedacht, dass er mir überhaupt Beachtung schenken würde. Bis zu dem Tag, wo er mich plötzlich anrief. Mir erzählte, dass er mit

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