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Friesenherz

Friesenherz

Titel: Friesenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janna Hagedorn
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gelandet. Geli begann ebenfalls in ihrem Rucksack zu kramen. Irgendetwas war auch an ihr anders als sonst heute Morgen, und ich musste mehrmals hinschauen, um zu verstehen, was es war.
    Sie trug eine andere Windjacke als ihr Mann.
    »Danke«, sagte Ann schließlich zu mir, »tut mir leid wegen eben. Ich bin … ich stehe zurzeit ein bisschen neben mir.«
    »Was ist denn?«, fragte ich besorgt. »Hast du Fieber? Ist es Magen-Darm? Brauchst du einen Arzt?«
    Sie schüttelte leicht den Kopf.
    »Mit Magen-Darm-Grippe ist nicht zu spaßen!«, redete ich auf sie ein. »Du solltest das wirklich abklären lassen, wenn das nicht rechtzeitig …«
    Ich brach mitten im Satz ab.
    Ja, war ich denn blind? Oder blöd? Oder beides?
    Es war doch völlig klar, was mit Ann los war. Und dass an ihrem Zustand weder zu viel Bier in der Leuchtturm-Bar schuld waren noch Mungbohnensuppe zu jeder Tageszeit. In der Hinsicht waren doch fast alle Frauen gleich. Egal, ob Vata, Kapha oder Pitta.
    Jetzt begann sie unvermittelt zu lachen. Nicht fröhlich, sondern hysterisch nach Luft schnappend, so plötzlich, wie sie eben ins Watt gekübelt hatte. Im nächsten Augenblick schon füllten sich ihre Augen fast genauso schnell mit Tränen, und sie klammerte sich an meine Schulter und schluchzte laut auf. Ich war nicht überrascht. Auch Stimmungsschwankungen gehörten dazu. Genau wie die Übelkeit. Es passte alles ins Bild.
    Sie rückte näher an mich heran, sodass ich ihren unappetitlichen Atem für einen Moment genau in der Nase hatte, dann brachte sie ihre Lippen an mein Ohr und hielt die Hand davor.
    »Ich muss dir was sagen«, flüsterte sie eindringlich. »Und ich muss es dir jetzt sagen, sofort, denn sonst muss ich platzen, und es ist mir auch wirklich wahnsinnig, wahnsinnig unangenehm, und es tut mir wirklich, wirklich leid, dass ich dich so angefahren habe, und das ist noch nicht alles, was mir leidtut, aber vielleicht wirst du verstehen, dass ich, also wenn ich dir sage, dass …«
    »Stopp!«, flüsterte ich und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Sag nichts. Du bist schwanger.«
    Sie sah mich mit weit aufgerissenen Augen an. »Woher weißt du das?«, fragte sie verblüfft.
    Jetzt war es an mir zu grinsen.
    »Eine Mutter spürt so was.«
    Sie sah mich mit einem schwer zu deutenden Blick an, einer Mischung aus Dankbarkeit und Enttäuschung. Ein paar Schritte von uns entfernt nahm Ahimsa Bärbel am Arm und machte einen eleganten Tanzschritt.
    »Nicht jetzt«, hörte ich Bärbel sagen, doch Ahimsa ließ sich nicht beirren. »Man kann nicht gegen das Meer leben, weißt du«, dozierte er. »Gegen die Strömungen, die Gezeiten. Man kann nur mit ihnen leben. Oder untergehen.«

16
    Ann griff nach dem Papieretikett, das am Bändchen ihres Teebeutels befestigt war, und ließ ihn vorsichtig in der Tasse auf- und abhüpfen. Dann las sie den Satz, der daraufgedruckt war.
    »›Wenn du Weisheit erlangen willst, sei wie ein Kind.‹ So ein Bullshit. Wer denkt sich bloß immer diese Kalendersprüche für den Yogi-Tee aus?«
    Ich blickte mich in der halbdunklen Pesel-Bar nach dem Kellner um. Aber der war offensichtlich unauffällig gegangen, und wir waren die letzten Gäste. Das fand ich sehr bedauerlich. Unter diesen ungewöhnlichen Umständen hätte ich gern wieder das Diätkonzept durchkreuzt und ein Bier bestellt. Oder zwei. Oder fünf. Ich musste ja heute Abend nicht mehr fahren.
    Jan hatte recht gehabt, der Sturm war schwächer geworden. Dennoch war ich nach unserer Wattwanderung nicht noch einmal am Hafen gewesen, um nach einer Fähre zu fragen. Auf dem Rückweg ins Hotel hatte Ann mich auf eine seltsam verdruckste Art gebeten, heute Abend noch zu bleiben und mit ihr zu reden. Es sei ihr sehr wichtig. Das rührte mich nun schon wieder. Offensichtlich war sie in Nöten und brauchte den Rat einer erfahrenen Mutter.
    Mit Torge hatte ich auch noch einmal telefoniert, und er hatte es schon wieder geschafft, mich beinahe zu beruhigen. Nein, hatte er gesagt, Ronja habe keine Party und keine Fotosession mehr erwähnt, ich solle mir keine Sorgen machen, solche verrückten Ideen hätten bei ihr doch oft eine geringe Halbwertszeit. Vielleicht hatte er recht, und ich sah wirklich Gespenster. Vielleicht hatten auch Ann und Bärbel recht, und Ronja war viel erwach sener, als ich ahnte. Jedenfalls war morgen auch noch ein Tag. Ich sah zu Ann hinüber, die noch immer ihren Teebeutel in der Tasse badete.
    »Sag mal, das Baby … wann ist es denn so weit?«
    Ann

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