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Friesenherz

Friesenherz

Titel: Friesenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janna Hagedorn
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einem Austauschprogramm nach Spanien gehen würde. Dass er gehört habe, ich würde mich auch interessieren. Für das Austauschprogramm, meine ich. Dass er in Sevilla eine WG aufgetan habe, die aber nur zwei Zimmer auf einen Sitz vermieten würden, und ob ich eines davon wolle.«
    »Klingt cool«, sagte Ann, »und, hast du’s gemacht?«
    Ich nahm einen tiefen Schluck und schüttelte den Kopf.
    »Wieso?« Sie sah mich verständnislos an. »Ich dachte, du fandst den so geil.«
    »Weil ich schwanger war. Weil ich gerade am Tag davor einen Test gemacht hatte. Deshalb.« Ich lachte auf, es klang bitter. »Mein Gott, ich war dreiundzwanzig! Und im sechsten Semester! Meinst du, Torge und ich haben das geplant?«
    »Und das ist der Mann, den du geheiratet hast.« Ann sagte es mit einer Selbstverständlichkeit, als wüsste sie mehr über mein Leben, als ich ahnte.
    »Na ja«, sagte ich fast entschuldigend, »er war ja auch der Richtige.«
    Ann lachte leise auf.
    »Und an den Weihnachtsmann glaubst du auch noch, oder?«
    »Was soll denn das jetzt heißen?«, fragte ich böse. Sollte die Frau bloß nicht denken, dass ich ein naives Landei war, nur weil ich mich verhielt wie ein erwachsener Mensch.
    »Ich meine, dass das auch so ein Märchen ist, das sie uns immer erzählen. Bücher, Filme, Frauenzeitschriften. Dabei sind Menschen gar keine so komplizierten Schlüssellöcher, in die nur ein Schlüssel passt. Angeblich treffen die meisten ihre angebliche große Liebe in einem Alter, in dem sie über Familiengründung nachdenken. Das ist doch Humbug! Man tut sich mit dem Menschen zusammen, der zufällig gerade da ist, wenn man selbst bereit ist, sich zusammenzutun. Oder wenn alle um einen herum finden, es wäre jetzt mal an der Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen.«
    »Ganz so einfach ist es auch nicht«, wehrte ich mich. »Nicht jeder Mensch ist dazu geeignet, für diese Langstrecke. Torge war es, das habe ich von vorneherein gewusst.«
    »Und wie?«, fragte Ann und stemmte sich auf die Edelstahl Arbeitsplatte hinter ihr. Ihr Rock rutschte dabei fast bis zu ihrer Hüfte hoch, aber das schien sie nicht zu stören.
    »Weil er zu mir gestanden hat. Immer. Wir haben gemeinsam auf das Testergebnis gewartet«, erzählte ich. »In der Küche von Torges WG. Danach hat Torge mir Tee gekocht. Und dann hat er gesagt, unser Kind bekommt nur Holzspielzeug. Das teuerste und beste.«
    »Er hat nie versucht, es dir auszureden?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Klingt verrückt, ich weiß. Aber er hat sich einfach nur gefreut. Und ich glaube, er hat sich plötzlich überlegen gefühlt, seinen Freunden gegenüber. Weil er auf einmal Familienvater wurde, weil er Verantwortung übernahm. Während die immer noch auf der Suche waren, ihre Frauen wechselten und ihre Studienfächer und ihre Wohnorte. Ich glaube, er fand das ganz schön kindisch. Und war stolz auf sich und mich, und darauf, wie erwachsen wir waren.«
    »Wirklich verrückt.« Ann schüttelte den Kopf. »Wie manchmal im Leben alles so haarscharf nicht zusammenpasst.«
    Dann sah sie mich an. »Und dieser Junge aus der Uni? Was war das für einer? Wie hat der ausgesehen?«
    Ich seufzte die Scheibe an.
    »Wie Jan«, sagte ich leise. »Vor allem um den Mund herum.«
    Anns Gesicht, blass beschienen von einer Straßenlaterne hinter dem Küchenfenster, schwebte nur noch Zentimeter vor mir, als wollte sie mich gleich küssen.
    In dem Moment verstand ich, dass ich noch etwas ganz anderes vermisste in meinem Leben als wilde Erotik.
    Nämlich eine beste Freundin.

17
    Seltsam, dachte ich, während ich Anns Gesicht so nah vor meinem hatte, dass ich jede Pore ihrer Haut erkennen konnte. Jahre lang konnte man auf etwas verzichten und merkte es nicht einmal. Als würde man in einer Wohnung leben, in der die Zentralheizung mit jedem Winter um ein paar unmerkliche Zehntelgrade nach unten reguliert wurde. Es wurde über die Jahre immer kälter, aber man nahm es gar nicht richtig wahr. Zog einfach einen dickeren Pullover an und erinnerte sich irgendwann nicht mehr daran, dass man auch ohne zusätzliche Wolldecke hatte schlafen können.
    Als Kind, als Teenager, als junge Studentin hatte ich immer beste Freundinnen gehabt. Warum es ausgerechnet diese eine hatte sein müssen unter den vielen, das war unerklärlich und magisch gewesen wie die Liebe und hing nur vordergründig damit zusammen, dass diese eine einen Barbie-Campingwagen besaß oder an der Plattenbar im »Musikhaus« die gleichen Hit-Singles zum

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