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Friesenkinder

Friesenkinder

Titel: Friesenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Duenschede
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kaum in der Lage, den Leichnam von der Straße bis zum Fundort zu schleifen. Und auch trotz Kinderwagen blieb die Frage, wie sie den leblosen Mann dort hineingehoben haben sollte. Ganz davon zu schweigen, dass der Kinderwagen doch sicherlich unter dem Gewicht der Leiche schlappgemacht hätte, oder? »Schickt mir die Auswertungen bitte gleich zu«, wies er den Kollegen von der Spurensicherung bei der Verabschiedung an. Wenngleich er noch nichts mit den neuen Hinweisen anfangen konnte, war er froh, wenigstens einen Ansatzpunkt zu haben.
    Er verspürte wenig Lust, zurück in die Dienststelle zu fahren, und machte daher noch einen Abstecher zum Dokumentenhaus der KZ-Gedenkstätte. Er wusste gar nicht, dass hier bereits mehr als 60 Jahre Gedenkstättenarbeit geleistet wurde, wie ihm die freundliche Dame im Dokumentenhaus erklärte, die ihm, als er das Gebäude betrat, entgegenstrahlte. Sie war ca. Ende 30 und Thamsen auf Anhieb sympathisch. Sie führte ihn durch das Gebäude und erklärte ihm sehr gewissenhaft die Ausstellung. Von ihrer lebendigen Art fasziniert, folgte er ihr durch die Räume.
    Als sie ihn am Ende des Vortrages fragte, ob er noch Fragen habe, antwortete er spontan: »Ja, eine. Gehen Sie mit mir einen Kaffee trinken?«
    Es war überhaupt nicht seine Art, irgendwelche Frauen anzusprechen, schon gar nicht im Dienst. Aber diese Frau weckte in ihm ein Gefühl, das er nicht beschreiben konnte. Es war weniger eine körperliche Anziehung, die sie auf ihn ausübte, sondern mehr ihre Art und ihr Wesen, die ihn faszinierten. Und obwohl in der Dienststelle jede Menge Arbeit auf ihn wartete, wollte er sich nicht von ihr verabschieden, noch nicht.
    Da die Möglichkeiten in Ladelund eher begrenzt waren, fuhren sie nach Süderlügum und verbrachten dort in einem kleinen Café zusammen ihre Mittagspause.
    »Gab es eigentlich in der letzten Zeit Anfeindungen aus der rechtsradikalen Szene?«, fragte er, um das Beisammensein zumindest ansatzweise nach einer dienstlichen Angelegenheit aussehen zu lassen. Dörte Paulsen nippte an ihrem Tee und nickte dabei.
    »Schon«, bestätigte sie. »Drohbriefe, Schmierereien und erst neulich wurden wieder ein paar Gräber geschändet. Eigentlich kommt das in regelmäßigen Abständen vor. Es ist zum Kotzen, aber diese braune Brut scheint nicht auszumerzen zu sein.«
    Thamsen war ein wenig erstaunt über den plötzlichen Wandel ihrer Ausdrucksweise, konnte aber ihre Wut nachvollziehen.
    »Hast du denn keine Angst, dir könne etwas passieren? Immerhin liegt das Dokumentenhaus recht abgelegen und an so einem Tag wie heute ist ja nicht besonders viel los bei euch.« Ganz unbewusst hatte er Dörte Paulsen geduzt und sie griff den vertraulicheren Umgangston einfach auf.
    »Schau mich an. Meinst du, mir würden die etwas tun? Da schneiden die sich ja ins eigene Fleisch.«
    Dörte Paulsen hatte recht. Wenn jemand den Prinzipien der Rassengesetze der Nazis entsprach, dann war sie es. Blond, blauäugig, hellhäutig, kräftige Statur, gebärfreudiges Becken. Er musste zugeben, dass er Dörte auch körperlich anziehend fand, wenngleich er das erst jetzt bemerkte, denn fasziniert hatte ihn vor allem ihr mitreißendes Wesen. Aber er war ein Mann und nicht blind. Ihre wohlgeformten Brüste, die sich unter dem Rollkragenpullover abzeichneten, waren ihm aufgefallen.
    »Habt ihr denn eine Ahnung, was das genau für Typen sind?«
    »Es gibt da so eine Gruppe direkt in Ladelund. Nicht besonders groß, nur vier, fünf Leute. Ihr Anführer heißt Ole Lenhardt.«

8.
     
    »Unschön, äußerst unschön«, kommentierte Thamsen die Schmierereien an der Grundschule in Risum. »Aber warum hast du mich nicht direkt gerufen?«
    »Hab’ ich ja, aber du warst noch nicht im Büro«, verteidigte Haie den Umstand, dass Thamsen erst jetzt von dem Hakenkreuz erfuhr. Er war nach dem Gespräch mit Dörte Paulsen, das sie sehr ausgedehnt hatten, nicht noch einmal in die Dienststelle gefahren, sondern hatte noch einige der Befragungen in Ladelund übernommen, wie sie es am Morgen in der Besprechung festgelegt hatten. Anschließend hatte er zeitig Feierabend gemacht, da er sich mit Dörte fürs Kino verabredet hatte und vorher zu Hause den Kindern noch Abendbrot machen wollte. Von dem Hakenkreuz an der Schule hatte er erst am nächsten Morgen erfahren, als er, wie gewohnt, sein Büro betreten und die Berichte des vorangegangenen Tages überflogen hatte.
    »Nun gut«, ließ Thamsen die späte Benachrichtigung von den

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