Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Friesenkinder

Friesenkinder

Titel: Friesenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Duenschede
Vom Netzwerk:
Schmierereien, an der er selbst schuld war, auf sich beruhen.
    »Hast du denn noch jemanden gesehen?« Er hatte den Bericht wirklich nur quergelesen. Ansonsten hätte er diese Frage nicht gestellt, denn Haie hatte zu Protokoll gegeben, die Schmierereien seien zwar frisch, aber kein Täter mehr vor Ort gewesen.
    »Und der Fingerabdruck?«
    »Ist von mir.«
    Thamsen schüttelte nur leicht den Kopf, verkniff sich aber eine Bemerkung. Obwohl er gedacht hatte, Haie wäre umsichtiger in solchen Dingen. Aber wahrscheinlich hatte seine Neugierde wieder einmal den Verstand ausgeschaltet. Gerade dieser Wissensdurst war es jedoch, der den Freund stets antrieb. Irgendwie hatte Haie es geschafft, sich eine kindliche Neugierde zu bewahren und das Interesse, den Dingen auf den Grund gehen zu wollen. Das war nur eine der Eigenschaften, die Dirk an dem wesentlich älteren Freund schätzte, und manchmal wünschte er sich, er selbst hätte ein bisschen was von Haies Entdeckerdrang.
    »’tschuldigung, aber ich hatte keine Zeit, den Bericht ganz zu lesen. Haben die Kollegen sonst irgendetwas gefunden?«
    »Nee, aber da war auch nichts.« Haie hatte vor dem Eintreffen der Beamten bereits selbst den Tatort nach Spuren abgesucht.
    »Ich verstehe das nicht. Wir hatten doch sonst nie Probleme mit diesen Nazis hier. Risum ist schließlich ein anständiges Dorf.«
    Haie schüttelte verständnislos den Kopf. Für ihn war irgendwie seine komplette Welt aus den Fugen geraten. Er hatte keine Ahnung davon gehabt, wie verbreitet die rechtsradikale Szene in Nordfriesland überhaupt war. Aber erst dieser ermordete ausländische Arzt und nun das Hakenkreuz. Dabei hatte er eigentlich gedacht, zumindest in seinem Dorf sei für diesen Terror kein Platz. Doch da hatte er sich wohl gründlich geirrt.
    »Hast du denn schon mal Leute im Dorf gesehen, die der Szene angehören könnten?«
    Haie kratzte sich am linken Ohr. »Eigentlich nicht. Außer den Sohn von deinem Kollegen. Obwohl, ich weiß nicht …«
    »Was weißt du nicht?«
    »Na, ob der tatsächlich dazugehört. Kann ich mir kaum vorstellen. Aber der trägt immer so eine Bomberjacke und Springerstiefel.«
     
    Marlene war nach dem morgendlichen Stillen wieder eingeschlafen, doch nun wurde sie durch die Unruhe im Zimmer geweckt.
    Die Schwester stand neben ihrem Bett und blickte in das Babybettchen, in dem Niklas friedlich schlief. Doch was die Frau sah, schien sie nicht zu beruhigen. Marlene sah sofort die Panik, die der Frau geradezu ins Gesicht geschrieben stand, und war schlagartig hellwach. Blitzschnell rappelte sie sich auf und vergewisserte sich, dass alles mit ihrem Baby stimmte. Doch der Kleine lag mit rosa Bäckchen in seinem Bettchen und saugte friedlich an seinem Schnuller. Warum also blickte Schwester Inge so angstvoll drein? Marlenes Blick wanderte zum Nachbarbett. Es war leer.
    »Was ist los, Schwester Inge?«
    Doch die Frau in dem weißen Kittel drehte sich um und rannte geradezu aus dem Zimmer. Noch einmal schaute Marlene, ob mit Niklas alles in Ordnung war, und schwang dann ihre Beine aus dem Bett. Die Narbe schmerzte höllisch und als sie auch noch nach den Pantoffeln angelte, die vor dem Bett verstreut lagen, war der Schmerz kaum zu ertragen. Wenn sich bloß diese blöde Wunde nicht entzündet hätte, dachte Marlene wütend. Dann hätte sie das Krankenhaus bestimmt schon morgen verlassen dürfen. Aber so musste sie bleiben, bis man sicher war, dass sich die Entzündung nicht ausbreiten würde.
    Langsam und mit schlurfenden Schritten, das Babybettchen vor sich her schiebend, näherte sie sich der Tür, die die Schwester in der Eile nicht ganz geschlossen hatte. Sie hörte eiliges Laufen auf dem Gang und verschiedene Stimmen riefen durcheinander.
    Wortfetzen wie »Das gibt es doch gar nicht!« und »Wir müssen die Polizei holen!« lösten sich aus dem Gewirr. Die Unruhe breitete sich nun noch stärker in Marlene aus. Sie stieß die Tür auf und sah mehrere Schwestern und den Arzt über den Flur laufen. »Was ist denn los?«, fragte sie, doch niemand beachtete sie.
    Marlene stützte sich an dem Bett ab und schob es langsam Richtung Säuglingszimmer. Normalerweise hätte Niklas jetzt dort gelegen, doch weil sie nach dem Stillen eingeschlafen war, hatte sie das Bettchen nicht zurückgeschoben, und anscheinend hatte die Schwester vergessen, ihn wieder zu holen. Vielleicht gab es Komplikationen bei einer Geburt? Erst gestern war eine Frau eingeliefert worden, die Zwillinge erwartete.

Weitere Kostenlose Bücher