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Friesenkinder

Friesenkinder

Titel: Friesenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Duenschede
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über 20 Jahren leben wir in diesem Land«, klagte der Vater des Opfers mit tränenerstickter Stimme, »wir arbeiten hier, zahlen Steuern, leisten unseren Beitrag für die Gesellschaft. Und was tut ihr?«, er blickte Thamsen direkt an. »Ihr hasst uns!«
    Er musste schlucken. Obwohl Dirk sich nicht als fremdenfeindlich sah, fühlte er sich dennoch irgendwie angesprochen. Und er war es auch, wenngleich die Anklage des Mannes sicherlich durch Trauer und Wut überspitztüberspitzt war und sehr stark verallgemeinert. Aber wenn Thamsen es so recht bedachte, leistete er in der Tat kaum einen Beitrag dazu, dass sich diese Menschen besonders willkommen fühlten in Deutschland. Er hatte eigentlich kaum Kontakt zu ausländischen Mitbürgern, in seinem Freundes- und Bekanntenkreis gab es jedenfalls so gut wie niemanden mit Migrationshintergrund; lediglich Vasili, den befreundeten Wirt der griechischen Taverne, in der Thamsen Stammgast war. Und bei seinen Kindern verhielt es sich ähnlich. In der Schule galten ausländische Mitschüler immer noch als Exoten, egal ob die Kinder in Deutschland geboren waren oder nicht.
    »Herr Merizadi, ich versichere Ihnen, wir werden alles tun, um den Fall aufzuklären«, versuchte er, die Situation irgendwie zu entschärfen und auf den eigentlichen Grund seines Besuches zu kommen.
    »Gab es denn konkrete Anfeindungen gegen Ihren Sohn? Wurde er bedroht?«
    »Soll das ein Scherz sein? Er ist ja wohl auf jeden Fall bedroht worden, sonst wäre er jetzt nicht tot.« Der ältere Mann war aufgebracht. Er hatte in die Polizei kein Vertrauen, das war nur zu offensichtlich. Thamsen konnte das verstehen, aber so kamen sie überhaupt nicht weiter. Außerdem war er gekommen, um mit der Witwe zu sprechen. Die aber brachte keinen Ton heraus und starrte nach wie vor zu Boden.
    »Frau Merizadi«, sprach er sie daher direkt an, »wissen Sie etwas von Bedrohungen gegen Ihren Mann? Seine Arzthelferinnen haben angedeutet, es hätte hin und wieder schon Probleme in der Praxis gegeben.« Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, aber zumindest seinem Gefühl nach dem Gespräch mit den beiden Frauen.
    »Was haben die beiden erzählt?« Ruckartig war der Kopf der Witwe nach oben geschnellt. Ihr langes glänzendes Haar schwang dabei nach hinten. Er war etwas überrascht über diese plötzliche Reaktion. Da war etwas in ihrem Blick, das Thamsen nicht deuten konnte. War es Hoffnung, die Frauen aus der Praxis könnten einen Hinweis auf den Täter geliefert haben? Vielleicht kannten sie den Täter sogar? Dirk blinzelte. Nein, es war keine Hoffnung, die ihm da aus den dunklen Augen entgegensprang. Sondern Angst. Nackte Angst.
     
    Haie hatte die Frage, ob der Sohn von Dirks Mitarbeiter tatsächlich etwas mit den Neonazis zu tun hatte, keine Ruhe gelassen. Nachdem er Feierabend gemacht hatte, war er zwar zunächst nach Hause gefahren. Dann aber hatte er doch sein Fahrrad noch einmal aus dem Schuppen geholt und war nach Lindholm geradelt.
    Gunter Sönksen wohnte gleich hinter dem Ortsschild neben der alten Post. Angestrengt hatte Haie die Fahrt über darüber nachgedacht, wie er seinen ungewöhnlichen Besuch begründen sollte. Er kannte zwar so gut wie jeden im Dorf, aber viel zu tun hatte er mit dem Polizisten nicht, geschweige denn, dass er ihn jemals zu Hause besucht hatte.
    Er lehnte sein Fahrrad an den Zaun und ging auf das Haus zu. Der Garten wirkte äußerst gepflegt und der messingfarbene Klingelknopf blinkte ihn so strahlend an, dass er sich kaum traute, ihn mit seinem Finger zu berühren.
    Eine schmale Frau mit Küchenschürze öffnete ihm. »Moin, Gitta«, grüßte Haie die Hausfrau, die er hauptsächlich vom SPAR-Markt her kannte. Sie war eine Zugezogene, Gunter hatte sie während seiner Wehrdienstzeit in Bayern kennengelernt. Das war zwar nun mittlerweile über 20 Jahre her, aber dennoch hing ihr der Makel an, keine Einheimische zu sein.
    »Moin, Haie«, erwiderte sie seinen Gruß. Wenn sie überrascht war, ließ sie es sich nicht anmerken, dennoch wollte sie natürlich gern wissen, was den Hausmeister der Grundschule in Risum zu ihnen führte.
    »Is Gunter da?«
    Sie nickte, machte aber dennoch keinerlei Anstalten, ihn hereinzubitten.
    »Kann ich ihn sprechen?«
    Eigentlich erwartete Haie die Frage nach dem Warum, aber die Hausfrau ließ sich endlich erweichen und drehte sich um.
    »Gunter!«
    Wenig später streckte der Polizist seinen Kopf aus einem der Zimmer, die vom Flur abgingen. Er trug Jeans und ein

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