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Friesenkinder

Friesenkinder

Titel: Friesenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Duenschede
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sich um und seine Vorahnung wurde prompt bestätigt. Am Fenster im Haus gegenüber verrenkte sich die Nachbarin beinahe den Hals, nur um das Geschehen vor Lore Jensens Tür mitzubekommen. Er winkte ihr zu, worauf die Frau eilig die Gardine vors Fenster zog.
    Die Einrichtung im Haus von Lore Jensen war alt und es fiel einem sofort auf, dass hier ein Mann im Haushalt fehlte. Einige Dinge bedurften dringend einer Reparatur, aber für eine alleinstehende Frau war das sicher nicht leicht.
    »Also, wenn du mal Hilfe brauchst«, er deutete mit einem Kopfnicken in Richtung einer Steckdose, die bereits auf halb acht aus der Wand hing.
    Lore Jensen errötete leicht. »Danke«, sagte sie dann, »vielleicht komme ich darauf zurück.«
    Sie holte aus dem Schrank über der Spüle zwei kleine Schnapsgläser und aus dem Gefrierschrank eine Flasche Aquavit. Wahrscheinlich gönnt sich Lore öfter mal einen, dachte Haie, denn die Flasche war zur Hälfte leer, und so häufig bekam sie sicherlich keinen Besuch, dem sie einen Schnaps anbot.
    »Ja, ich soll dich schön von Elke grüßen«, begann nun Haie, um endlich zum eigentlichen Grund seines Besuches zu sprechen zu kommen. »Also, sie sagt, du hast da öfter Neonazis in der Praxis gesehen?«
    »Ja, aber jümmers ganz nett. Datt waren Patienten von dem Herrn Doktor. Sonst nichts.«
    »Bist du dir sicher?« Haie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass diese Typen ihre Frauen zu einem ausländischen Arzt gehen ließen. Da stimmte doch etwas nicht.
    »Und die haben den nicht erpresst oder so?«
    Lore Jensen zuckte mit den Schultern. »Woher soll ich das wissen? Sah aber nicht so aus.«

16.
     
    Dirk Thamsen hatte schlecht geschlafen und wachte irgendwie zerknittert auf.
    Er war gestern nach seinem Besuch bei Gunter Sönksen noch eine ganze Weile durch die Gegend gefahren, um über die nächsten Schritte nachzudenken. Oftmals half es ihm, den Wagen ziellos durch die Landschaft zu lenken und den Gedanken einfach freien Lauf zu lassen. Meistens landete er am Meer. Irgendwie zog die Nordsee ihn stets wie durch eine unsichtbare Kraft an. Auch gestern war er schließlich in Schlüttsiel gelandet, hatte den Wagen geparkt und war ein paar Schritte am Deich entlanggelaufen. Die würzige Seeluft und diese scheinbar unbegrenzte Weite machten seinen Kopf frei, und er hatte sich besser gefühlt, als er wieder in den Wagen stieg.
    Anschließend hatte er Anne von seiner Mutter und Timo von zu Hause abgeholt und sie waren wie versprochen kegeln gegangen. Es war ein schöner Abend gewesen, wenngleich ihm bereits wieder der Fall im Kopf herumgespukt war. Aber er hatte seine Kinder in der letzten Zeit schon so oft vertröstet, und jetzt, da auch ein Urlaub aufgrund des kaputten Wagens ins Wasser fallen würde, wollte er ihnen wenigstens mit diesem gemeinsamen Kegelabend eine Freude machen.
    Die Kinder hatten viel Spaß gehabt und waren glücklich in ihre Betten gefallen, als sie spät am Abend nach Hause gekommen waren. Thamsen war jedoch kein Stück müde gewesen und hatte sich mit einer Flasche Rotwein vor den Fernseher gefläzt. Nach dem dritten Glas waren ihm dann doch die Augen zugefallen und als er gegen zwei Uhr nachts aufgewacht war und sich in sein Bett geschleppt hatte, fühlte er sich wie erschossen.
    Der Schlaf hatte allerdings keine Erholung gebracht. Nur gut, dass heute Sonntag war und er nicht ins Büro musste. Trotzdem würde er heute arbeiten, denn irgendwie brauchte er eine Strategie, wie sie den Rechten beikommen konnten.
    Er kroch aus dem Bett und schlich in die Küche. Die Kinder schienen noch zu schlafen, er wollte sie nicht aufwecken. Er machte sich zunächst einen Kaffee und setzte sich dann an den Küchentisch und schlug die Zeitung von gestern noch einmal auf.
    Er hatte das Blatt bereits kurz überflogen, es aber resigniert zur Seite gelegt, nachdem er die reißerischen Schlagzeilen und Anfeindungen gegen die Polizei gelesen hatte.
    Doch nun fiel sein Blick auf eine kleine Meldung aus Husum. Das entführte Baby war nach wie vor nicht auffindbar und von dem Täter gab es trotz des veröffentlichten Phantombildes noch immer keine Spur. Daher wandte sich die Polizei nun direkt an den oder die Entführer und wies explizit auf den kritischen Gesundheitszustand des Säuglings hin. Das Kind sei schwach und habe sich bei der Geburt einen Virus eingefangen, der dringend behandelt werden musste. Es bestünde akute Lebensgefahr.
    Ob das den Tatsachen entsprach?, überlegte Thamsen. Oder

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